Betagten Single-Damen droht Armut: Frauen sehen alt aus

Es ist wohl kein Zufall, dass jetzt die Debatte um Altersarmut an Intensität gewinnt - bald sind auch Männer davon bedroht.

Altersarmut ist vor allem weiblich. Bild: dpa

Vor allem die Single-Frauen sind das Problem, sagt Ursula Lenz. Oft haben sie über Jahrzehnte anderleuts Kinder gehütet oder Fußböden gewischt. Und dafür gerade mal ein Taschengeld bekommen. Gerade alleinstehende Damen jenseits der 80 droht heute ein Altern in Armut, sagt die Referentin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. "Sie trifft es besonders hart, dass weibliche Arbeit so lange miserabel entlohnt wurde."

Seit dem Rentenvorstoß des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) ist in Deutschland eine neue Debatte über Altersarmut entbrannt (siehe unten). Ein Aspekt aber droht dabei aus dem Blick zu geraten. Altersarmut ist kein geschlechtsneutrales Problem. Sie ist vor allem weiblich. Von den 370.500 über 65-Jährigen, die von Sozialhilfe leben, sind rund zwei Drittel Frauen. Sie erhalten die sogenannte Grundsicherung, eine staatliche Leistung, die das eigene Einkommen so weit aufstockt, dass es wenigstens auf der Höhe des Existenzminimums liegt.

Eine deutliche Kluft zeigt sich auch bei der Rentenhöhe. 35,7 Prozent der Frauen erhalten zwischen 600 und 750 Euro pro Monat. Mehr als ein Drittel der Frauen liegt sogar noch darunter. Bei den Männern erhalten immerhin rund 60 Prozent eine Rente zwischen 900 und 1.500 Euro. Allerdings ist nicht jede der Frauen, die nur eine Minirente beziehen, zwangsläufig arm. Viele sind über ihre Ehemänner abgesichert oder beziehen eine Witwenrente. Dennoch gibt es laut Lenz eine Dunkelziffer. Oft würden sich die Frauen schämen, staatliche Hilfe zu beantragen, "und sitzen im Mantel in der Wohnung, weil sie sich keine Heizung leisten können".

Wie aber wird sich das Szenario verändern? Noch gibt es keine verlässlichen Einschätzungen, wie viele Leute in 15 oder 20 Jahren in Armut altern werden. Die Tendenz aber ist erahnbar, sagt Lenz: "So wie es jetzt aussieht, wird die Altersarmut zunehmen - und Frauen werden weiterhin stärker betroffen sein."

Dabei scheint sich auf den ersten Blick zumindest im Westen die Lage zu bessern. In den alten Bundesländern werden die Rentenanwartschaften, die Frauen erwerben, steigen - weil heute mehr Frauen berufstätig sind. "Welche Beträge den Anwartschaften später gegenüberstehen, lässt sich aber schwer abschätzen", sagt Karin Klopsch, Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung. Zudem können weniger Frauen hoffen, dass ihnen der Mann finanziell aushilft. Denn viele Männer sind heute arbeitslos oder arbeiten zu Niedriglöhnen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Debatte um Altersarmut gerade jetzt an Intensität gewinnt - wo auch Männer stärker bedroht sind.

Besonders drastisch ist der Wandel im Osten Detuschlands. Hier beziehen die Männer derzeit mit 1.011 Euro eine um 55 Euro höhere Rente als ihre Altersgenossen im Westen. Und auch die Frauen waren meist durchgängig berufstätig und stehen relativ gut da. Laut einer Analyse aber, die vor kürzlich die SPD-Politiker Jens Bullerjahn und Erwin Sellering vorlegten, droht im Osten eine starke Zunahme der Altersarmut. Angesicht dessen rät Klopsch den Frauen, ihre Strategien zu verändern. "Wenigstens über eine Riester-Rente sollten sie nachdenken."

Zwar hat die Politik einiges unternommen, die Rentennot der Frauen zu entschärfen. So werden die Kinderpausen, die eine Mutter nimmt, heute stärker auf die Rente angerechnet. In den ersten drei Jahren sind Frauen, die wegen der Kinder zu Hause bleiben, aus Rentensicht gestellt wie Durchschnittsverdiener. Und noch bis zum 10. Lebensjahr des Kindes wird eine Frau, die Teilzeit arbeitet, höher bewertet.

Problematisch aber ist, was danach geschieht: Oft gelingt es Frauen nicht mehr, einen Vollzeitjob zu finden. Auf der sicheren Seite ist also nur, wer erst gar keine größeren Pausen einlegt. Dafür aber braucht es ein gutes Kitaangebot - also etwas, das durchaus noch politischer Gestaltung bedarf.

Drohende Altersarmut stellt somit auch tradierte Lebensentwürfe in Frage. Kaum ein junges Paar kann es sich mehr leisten, eine Ehe als Schicksalsgemeinschaft zu begreifen, die Aufgaben und Einkünfte aufteilt. Nur wer sich individuell absichert, hat Aussicht, sich vor Altersarmut zu wappnen. "Eine Ehe sollte stärker als Vertrag betrachtet werden", empfiehlt Lenz. So raten Experten heute Frauen, die Teilzeit arbeiten, ihrem Partner einen finanziellen Ausgleich abzuverlangen - den sie dann fürs Alter anlegen können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.