Argentinien stoppt Getreideausfuhr: Mit Weizen geizen

Um die Versorgung im Land zu gewährleisten, stoppt die Regierung den Weizenexport. Ihr Plan, die Grundnahrungsmittel erschwinglich zu halten, geht aber nicht auf.

Weizen wird knapper in Argentinien, weil Sojabohnen zur Zeit rentabler sind. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz Argentinien steht am Pranger. Das Land, das mit einer Bevölkerung von 40 Millionen Menschen Nahrungsmittel für 300 Millionen produziert, hat seine Weizenexporte vorübergehend eingefroren. Das trage zur Panik bei den Erhöhungen der Lebensmittelpreise bei und unterstütze die Spekulation, erklärte José Graziano da Silva. Er ist Vorsitzender der 30. Regionalkonferenz der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in Lateinamerika und der Karibik, die am Freitag in Brasilia zu Ende ging.

Eigentlich darf es laut da Silva nicht einen hungernden Menschen in Lateinamerika geben, denn Lateinamerika produziert 40 Prozent mehr Nahrungsmittel, als es benötigt - und doch sind 50 Millionen unterernährt. Der Hauptgrund dafür sei die schlechte Einkommensverteilung in den Bevölkerungen.

Die argentinische Regierung versucht nun, nicht nur die Versorgung mit Weizen im Land durch einen Exportstopp zu gewährleisten, sondern auch die Preise für die wichtigsten Grundnahrungsmittel niedrig zu halten. Dafür will sie die Exportsteuer auf Agrarprodukte anheben, vor allem jene auf Soja. Denn die Anbaufläche für Soja ist von 6,7 Millionen Hektar im Jahr 1996 auf die neue Rekordhöhe von 16,9 Millionen Hektar gestiegen - das ist knapp die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. 95 Prozent der Ernte wird exportiert. Landwirte und Staat verdienen gut daran.

Als Néstor Kirchner im Mai 2003 die Regierung in dem krisengeschüttelte Land übernahm, lag der Weltmarktpreis für die Tonne Sojabohnen bei 225 Dollar. Ein Jahr später war er auf rund 360 Dollar gestiegen, und Anfang dieses Jahres hätte sich seine Nachfolgerin im Amt und Ehefrau Cristina Kirchner eigentlich über einen Preis von über 500 Dollar und steigende Einnahmen für den Staatshaushalt freuen können. Doch die Präsidentin sagt: "Die hohe Rendite bei Soja ist heute ein Problem, sie verdrängt die anderen Produkte." Sie verlangt, dass die Landwirte statt Sojabohnen mehr Weizen und Mais anbauen, mehr Fleisch und Milch produzieren sollen.

Mit den Einnahmen einer höheren Exportsteuer sowie einem komplexen System aus Vereinbarungen und Subventionen mit den Handelsketten und der weiterverarbeitenden Industrie will die Regierung Grundnahrungsmittel derweil erschwinglich halten. Ohne dieses System läge der Brotpreis um 25 Prozent höher, hat Wirtschaftsminister Martin Lousteau vorgerechnet. Milch wäre gar 60 Prozent teurer, Fleisch und Geflügel bis zu 50 Prozent und der Preis von Speiseöl würde sich verdreifachen. Jeder Preisanstieg um ein Prozent bei den Grundnahrungsmitteln würde 150.000 Menschen mehr unter die Armutsgrenze rutschen lassen, so der Minister. Noch immer lebt nach offiziellen Angaben ein Fünftel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.

Die Landwirte reagierten auf die Pläne im März mit wochenlangen Protesten und Straßenblockaden. Mittlerweile sitzen Regierungsvertreter und Agrarverbände wieder am Runden Tisch - doch eine Einigung ist nicht in Sicht.

Auch Argentiniens oberste Verbraucherschützerin äußerte sich kritisch: "Dieses System aus Vereinbarungen und Subventionen für die großen Firmen funktioniert nicht," sagt Susana Andrada vom Centro de Educación al Consumidor. "Es verursacht große Staatausgaben, doch die Konsumenten merken nichts davon." Die steigenden Preise für Nahrungsmittel auch in den argentinischen Supermärkten unterstreichen ihre Kritik. Doch die Regierung hält daran fest. Auf die Kritik der FAO hat sie bisher nicht reagiert und wann sie wieder Exportgenehmigungen für Weizen ausstellt, hat sie bisher nicht mitgeteilt.

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