Beschluss zur Bahnprivatisierung: SPD-Linke gibt sich geschlagen

Die Positionen der Parteirechten und -linken der SPD zur Bahnprivatisierung schienen unvereinbar. Beck hat sie vorerst versöhnt.

Erfolgloser Protest? Demonstration gegen Bahn-Privatisierung Bild: dpa

Der SPD-Chef Kurt Beck ist berüchtigt für Schachtelsätze, die oft nicht gut und ohne Verb enden. Montagnacht trat er vor die Presse und sagte einen einfachen, verständlichen Satz, wenn auch ohne Verb: "Alles klar und alles bestens." Denn der SPD-Chef hat einen Kompromiss in der heftig umstrittenen Bahnprivatisierung gefunden. Ein schwieriges Unterfangen, weil die Parteirechte um Peer Steinbrück unbedingt eine möglichst umfangreiche Bahnprivatisierung will, während die SPD-Linke genau dies zu verhindern trachtet. Beck ist, so scheint es, gelungen, was eigentlich nicht ging. Die SPD-Rechte ist zufrieden, die SPD-Linke eingebunden, die Partei scheinbar befriedet. Und Beck hat bewiesen, dass er noch führen kann. Alles bestens - oder?

Die Vizevorsitzende und Parteilinke Andrea Nahles ist "sehr zufrieden" mit dem Kompromiss. Es sei, so Nahles zur taz, gelungen, den "Einfluss privater Renditeinteressen scheibchenweise immer mehr zurückzudrängen". Denn Netz und Infrastruktur sollen vollständig beim Bund bleiben. Dies sei ein "qualitativer Unterschied" zum ursprünglichen Modell. Mit 24,9 Prozent am Schienenverkehr, so Nahles zentrales Argument, sei die Macht der Aktionäre "massiv reduziert", zumal Aktionäre damit keinen Sitz im Aufsichtsrat beanspruchen könnten. Wichtig für das Ja der Linken zu dem Kompromiss war, dass ein Beteiligungsvertrag zwischen Bund und Bahn AG geplant ist, der sicherstellen soll, dass der Anteil privater Investoren nicht bald von 24,9 auf 49,9 oder mehr steigt. Außerdem, so Nahles, sollen zwei Drittel der Erlöse (die auf einen kleineren Milliardenbetrag geschätzt werden) in die Infrastruktur der Bahn investiert werden. Der Rest soll in den Bundeshaushalt fließen.

Andere SPD-Linke sehen die Sache weniger rosafarben. Hermann Scheer, einer der profiliertesten Privatisierungsgegner in der SPD, meint lakonisch: "Mehr war nicht möglich." Immerhin sei aber festgelegt, dass der SPD-Vorschlag mit der Union nicht mehr verhandelbar sei. "Das ist die Demarkationslinie für die SPD", so Scheer zu taz.

Doch die SPD-Linke ist geschlagen - und irgendwie weiß sie das auch. Die letzte Hoffnung, dass die Union nicht mitmacht, ist passé. Denn, so der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Friedrich, zur taz, "das Holdingmodell bleibt in seiner Grundstruktur erhalten". Und: "25 Prozent sind erst mal ein Einstieg." So zweifeln manche SPD-Linke, ob dies nicht trotz aller blumigen Versicherungen doch der Einstieg in die Privatisierung der Bahn ist. Auch dass Bahnchef Hartmut Mehdorn sich mit dem SPD-Vorschlag anfreunden kann, ist kein gutes Zeichen. Doch von einem Sonderparteitag, der einberufen werden sollte, redet kaum noch jemand ernsthaft. Zwar hat die SPD in Bremen und Nordrheinwestfalen noch vor ein paar Tagen eindeutig auf Parteitagen beschlossen, dass es nur Bahnprivatisierungen nach dem Volksaktienmodell geben soll - doch das ist Schnee von gestern. Eine Rebellion der Linken gegen Beck hätte das Chaos in der Partei komplettiert.

Richtig scharf urteilen nur noch SPD-Politiker, die keine wichtige Funktion mehr in der Partei haben. So Peter Conradi, der auf dem Hamburger Parteitag eine fulminante Rede gegen die Privatisierung der Bahn gehalten hatte. Conradis Analyse: "Die Befürworter des Börsengangs haben gesiegt. Das ist der erste Schritt zur Vollprivatisierung." Deshalb, so Conradi zur taz, ist die Union "so begeistert von dem Vorschlag."

Die Befürchtung lautet, dass die Begrenzung des Aktienanteils fallen kann und der von der Realo-Linken gerühmte Beteiligungsvertrag zwischen Bund und Bahn bei anderer politischer Wetterlage umgeschrieben wird. Der SPD-Politiker Ludwig Stiegler hatte nach der entscheidenden Nachtsitzung erklärt, dass Beck nicht die Machtfrage habe stellen müssen. So war es wohl. Die Machtfrage hatten zuvor schon Becks Vize Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier gestellt. Denn sie hatten Beck nach dessen ungeschickter Öffnung zur Linken nur unter einer Bedingung weiter gestützt: dass er die Bahnprivatisierung über die Bühne bekommt.

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