Nach Großbrand im Chemiewerk: BUND erstattet Anzeige

Nach der Explosion in einem Chemiepark bei Köln wächst die Kritik am Betreiber und den Behörden. Umweltschützer sprechen von "Geheimniskrämerei" und erstatten Strafanzeige wegen Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften

Eine gewaltige Wolke mit giftigen Gasen zog bei dem Feuer über die Kölner Innenstadt. Bild: dpa

DÜSSELDORF/KÖLN taz Als Reaktion auf den Großbrand im KölnerChemiewerk der Firma Ineos hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) am Donnerstag Strafanzeige erstattet. "Die Bevölkerung wurde massiv gefärdet. Bei dem Brand wurden hochgiftige Gase wie etwa Blausäure freigesetzt", sagte der Geschäftsführer des BUND in Nordrhein-Westfalen, Dirk Jansen, zur taz.

Grund für den Großbrand, der am Montag für den größten Feuerwehreinsatz in Köln seit Ende des Zweiten Weltkriegs gesorgt hatte, war nach bisherigen Ermittlungen eine undichte Ethylen-Gasleitung. Die entstehenden Flammen waren schnell auf nahe liegende Tanks mit giftigem Acrylnitril übergesprungen - für BUND-Sprecher Jansen ein klarer Verstoß gegen die Störfall-Verordnung des Landes NRW, die derartige Unglücke verhindern soll: "Sowohl Ethylen wie Acrylnitril sind hochbrennbar", sagt der Umweltschützer. "Deshalb ist schon die Nähe von Tanks und Pipeline in dem Chemiepark in Köln-Worringen ein massiver Konstruktionsfehler."

Das betroffene Unternehmen hatte am Mittwoch lediglich erklärt, man werde "gemeinsam mit den Behörden die Ursachen ermitteln, die zu dem Vorfall geführt haben". Den Anwohnern dankte Ineos für "Geduld und Verständnis".

Nach dem Brand hatte auch das Düsseldorfer Umweltministerium eine intensive Untersuchung des Systems von Chemie-Pipelines, das die Industrieregion Rhein-Ruhr von Köln bis Marl durchzieht, angekündigt. "Derzeit führt jeder Betreiber einer Pipeline selbst Unterlagen über seine Anlagen", hatte Landesumweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) am Mittwoch einräumen müssen. Ein zentrales Katasteramt, in dem alle Fäden zusammenlaufen, gebe es nicht. Uhlenberg müsse schnellstens für eine bessere Information der Bevölkerung sorgen, fordert deshalb BUND-Sprecher Jansen. "Das Altenheim, der Kindergarten, die Anwohner müssen wissen, was vor ihrer Haustür passiert."

Mehr Aufklärung fordert auch der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Johannes Remmel. Schließlich sei der Brand bei der ehemaligen Bayer- und BP-Tochter Ineos kein Einzelfall: Schon am 12. März 2008 waren bei einem Störfall in einer Ammoniakanlage bei Bayer in Wuppertal 27 Menschen verletzt worden. "Wir wollen wissen, welche Stoffe konkret gemessen wurden, welche tatsächlichen Gefahren für die Menschen bestanden und wie die Folgen der Chemieunfälle beseitigt werden", sagt Remmel. Zuvor hatten auch Umweltaktivisten von der "Coordination gegen Bayer-Gefahren" kritisiert, immer mehr Chemieunternehmen würden Sparmaßnahmen zu Lasten der Sicherheit durchführen - etwa durch die Zusammenlegung von Werksfeuerwehren und den Einsatz nur schlecht ausgebildeter Leiharbeiter.

Der BUND fordert von Umweltminister Uhlenberg deshalb die Veröffentlichung aller Industrieanlagen, die der Störfallverordnung unterliegen. Zwar sei bekannt, dass es allein in NRW rund 450 solcher Industriebetriebe gebe. Allerdings weigert sich das NRW-Umweltministerium unter Verweis auf mögliche Terrorgefahren, eine umfassende Liste dieser Fimen zu veröffentlichen. "Wir bleiben bei dieser Haltung", so eine Sprecherin von Minister Uhlenberg auf taz-Anfrage. Ein Urteil des rheinland-pfälzischen Oberlandesgerichts Koblenz, dass die Behörden zu einer solchen Veröffentlichung verpflichte, sei "für Nordrhein-Westfalen nicht bindend", sagt die Sprecherin.

Umweltschützer Jansen dagegen hält gerade die angebliche Terrorgefahr für vorgeschoben. Vielmehr habe die Industrie ein starkes Interesse, Betriebsgeheimnisse vor der Konkurrenz zu schützen: "Genau diese Geheimniskrämerei unterstützt die NRW-Landesregierung - zu Lasten der Bevölkerung."

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