Kita-Projekt: Das Problem Milchschnitte

Gesund ernähren, Gefühle zeigen und Gewalt vermeiden - das bringt ein Modellprojekt Kita-Kindern bei. Nach drei Jahren Probephase ziehen die Erzieherinnen eine positive Bilanz

In der Kita gehts heute ums Rauchen. Die drei- bis sechsjährigen Kinder sitzen rund um eine "Nichtrauchersack" getaufte Tüte. Nach und nach holen sie Gegenstände heraus: Als Erstes ein Sparschwein. "Ja, weil rauchen kostet Geld, und wenn man nicht raucht, kann man das Geld stattdessen da reintun", stellt ein Junge fest. Dann kommt ein Foto von einer Zigarettenschachtel. "Wenn man die raucht, bekommt man ein Raucherbein", sagt ein anderer, "und das tut weh. Da überlege ich doch erst, ob ich überhaupt rauchen will." Ein Mädchen räumt ein: "Dann kannst du immer noch eine Schlaftablette nehmen, dann tut es nicht mehr weh."

Die Szene ist nicht erfunden. Im Rahmen des Modellprojekts "Gesund groß werden" lernen schon Kindergartenkinder, wie schädlich Rauchen ist. Entwickelt wurde das Programm vom Labyrinth-Kindermuseum in Wedding, drei Jahre lang haben acht Grundschulen, Horte und Kitas in Nachbarbezirk Pankow es umgesetzt. Dabei geht es nicht nur um Suchtprävention, sondern auch um Ernährung und Bewegung. Am Donnerstag wurde Bilanz gezogen.

"Gut" sei die, sagen die Erzieherinnen der Kita "Knirpsenland" - auch wenn man noch nicht sagen könne, ob Spiele wie der Nichtrauchersack die Kleinen später tatsächlich vom Rauchen abhalten. "Bei anderen Programmpunkten sieht man aber direkt die Unterschiede", erzählt Erzieherin Ines Richard. Früher seien die Mülltonnen immer voll gewesen mit Verpackungen von Süßigkeiten, inzwischen wurde Zucker in jeder Form aus dem Haus verbannt. Eine ziemlich drastische Maßnahme, die aber auf Akzeptanz stößt. Nur einmal im Monat werden alle Geburtstage zusammen gefeiert, und dann gibts auch mal Kuchen.

Die Ernährung ist ein wichtiger Punkt. Corinna vom Hagen ist Kulturpädagogin und hat die Umsetzung des Projekts begleitet. Fünf Prozent der Kinder, so schätzt sie, sind übergewichtig. "Deswegen sind sie meist schlechter im Sport und wollen ihn vermeiden. Das ist ein Teufelskreis: So werden sie umso mehr gehänselt." Oft seien die Eltern falsch informiert, sie nehmen Werbung für sogenannte Kindernahrungsmittel beim Wort und denken, "Milchschnitte" und "Fruchtzwerge" tue den Kindern gut.

Daher werden die Eltern in das Programm einbezogen und bekommen unter anderem Vorträge von Ernährungsberatern. Die Kinder lernen in Koch-AGs und auf Marktbesuchen, wie man gesund einkaufen und kochen kann. "Manche haben noch nie einen Apfel gesehen", sagt Regina Beckmann vom Kindermuseum.

Die Ernährung ist einer der Punkte der Kampagne, die am leichtesten umgesetzt werden können. Schwieriger wird es beim Punkt "Umgang mit Gefühlen": "Hier ist es uns leider noch nicht gelungen, die Eltern so miteinzubeziehen, wie wir das gerne hätten", sagt vom Hagen; das sei vielen zu privat. So kann nur versucht werden, den Kindern beizubringen, Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken.

Für die Zweijährigen gibt es das "Vogelnest", eine Kuschel- und Streichelstunde. "Mich hat sehr berührt, zu sehen, wie sich die Kinder fallen lassen können und wie sehr sie das auch brauchen", erzählt vom Hagen. Die etwas Älteren lernen den Umgang mit Gefühlen im Zoo: Da können sie Tiere imitieren, und ängstlich trippeln wie eine Maus oder wütend stapfen wie ein Elefant. Diese Übung fällt unter "Gewaltprävention": "So lernen sie, Gefühle angemessen rauszulassen und Ärger und Stress nicht in sich reinzufressen. Denn sonst explodieren sie ja irgendwann, genau wie Erwachsene auch", sagt Ines Richard vom "Knirpsenland".

Die Kitas und Schulen, die mitgemacht haben, erhalten nun ein Zertifikat. Das nützt ihnen, denn heute achten immer mehr Eltern auf ein besonderes Profil der Einrichtungen, in die die Kinder geschickt werden. Das weist allerdings auch auf ein Problem, das die Kampagne nicht lösen kann. Denn Eltern, die eine solche Wahl bewusst und aufmerksam treffen, sind meist ohnehin sensibilisiert für die behandelten Themenbereiche. Viele Kinder, die vernachlässigt sind, werden so nicht erreicht.

Auch andere Bezirke und Städte, wie Mitte und München, haben Interesse an der Kampagne gezeigt. Sie soll nun dort Modell stehen. Bisher hapert es noch an der Finanzierung. Die wurde in Pankow von der "Aktion Mensch" sichergestellt.

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