Eine Menge Arbeit

Auch im Fußball hat Frankreich mittlerweile seine Probleme. Vor allem wenn Zinédine Zidane fehlt

PARIS taz ■ Die Anreise der Equipe Tricolore nach Paris zum Länderspiel war kurioserweise weit länger als die der deutschen Auswahl. Nach neun Stunden Flug hatten die Franzosen am Donnerstag ihre Hauptstadt erreicht. Auf Martinique in der Karibik hatten sie die Maschine bestiegen, nach einem Test- und Benefizspiel am Mittwochabend gegen Costa Rica. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass die besten Fußballer des Landes im Übersee-Departement auftraten. Sie taten es in Weiß, der Farbe der Trauer auf den Antillen, zu Ehren der Opfer eines Flugzeugabsturzes Mitte August. Für sieben aus dem Kader war es eine Rückkehr an die Wurzeln, Stürmer Thierry Henrys Eltern zum Beispiel stammen von den Inseln. Ihm war es eine Herzensangelegenheit, nicht zu verlieren. 0:2 lag der Favorit zur Halbzeit in Rückstand gegen die Zentralamerikaner, die im Sommer ebenfalls an der WM in Deutschland teilnehmen. Es drohte die erste Niederlage seit jener gegen Rehhagels Griechen im Viertelfinale der EM. Doch dann bereitete Henry den Anschlusstreffer von Rückkehrer Nicolas Anelka vor (49.), und nach Djibril Cissés Ausgleich (80.) erzielte Arsenal Londons Kapitän drei Minute vor dem Ende das Siegtor selbst: Mit der Hacke leitete er einen Eckball glücklich ins Tor um.

„In der zweiten Halbzeit habe ich die wahre französische Mannschaft gesehen“, meinte Trainer Raymond Domenech, aber dass es in der ersten offenbar die falsche war, zeigt einmal mehr das Dilemma, das seit der EM nicht behoben wurde: Frankreich verfügt über herausragende Einzelakteure, die nur phasenweise zu einer Mannschaft verschmelzen; die ihre spielerischen Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen, und am Ende allenfalls auf Solo-Taten, Wucht und Charakterstärke zurückgreifen können. Das reicht vielleicht gegen Mittelklassegegner wie die „ticos“ aus, die ohne ihre stärksten Legionäre angetreten waren, aber nicht gegen die Besten der Welt.

Besonders schwierig ist es, wenn der Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld fehlt: Zinédine Zidane kuriert bei sich daheim in Madrid eine Schambeinverletzung aus und ist auch am heutigen Samstag gegen die DFB-Auswahl nicht dabei. Da Domenech Arsenals Robert Pirès und Werder Bremens Johan Micould weiterhin schneidet, versteht es keiner so recht, das Offensivpotenzial zu kanalisieren. Dabei ist dieses enorm, nur Brasilien ist mit Weltklassestürmern wohl noch reicher gesegnet als die Franzosen. David Trezeguet, der schon neulich im Europacupspiel mit Juventus Turin gegen Bayern München als Meister des letzten Balles glänzte, war auf Martinique noch nicht mal dabei. Ihm ersparte man den langen Flug, gegen die Deutschen wird er umso frischer sein.

Bayern Münchens Rechtsverteidiger Willy Sagnol war mitgereist, kam aber ebenfalls nicht zum Einsatz, um dann am Samstag die Abwehr zu verstärken. Die war gegen Costa Rica der ersten Halbzeit durchlässiger als gewohnt, die einzelnen Mannschaftslinien standen zu weit auseinander. Beim ersten Gegentor tappten die Franzosen zudem in die eigene Abseitsfalle, das zweite war ein Geschenk von Torwart Fabien Barthez, der an einer Flanke vorbeisegelte.

Dem Fänger fehlt das Fein-Tuning nach einer halbjährigen Sperre für eine Spuckattacke gegen einen Schiedsrichter. Trotzdem gilt er als Favorit im Kampf um den WM-Stammplatz im Tor, bei den Erfolgen 1998 und 2000 war er schließlich auch so etwas wie der Talisman, dem man abergläubisch den Glatzkopf küsste. Lyons Gregory Coupet ist derzeit zweifellos der bessere Keeper und wird das im Stade de France beweisen wollen, denn ist er dran. Domenech versicherte zwar neulich, er halte nichts vom Wechselspiel im Kasten – um es dann aber wie Jürgen Klinsmann in der deutschen Auswahl umgehend einzuführen. Wie der 53-Jährige überhaupt nicht immer tut, was er sagt, und auch nicht immer sagt, was er tut. Nur zwei Tests haben die Franzosen noch bis zum Sommer, den heute gegen Deutschland und einen am 1. März ebenfalls in Paris gegen die Slowakei. Wenig Zeit für eine Menge Arbeit. RALF ITZEL