CDU-Reaktion auf Hessen-Duldung: Neuwahlen wären "Harakiri"

Die Bundes-CDU verbietet sich Gedanken an Neuwahlen und schaut lieber mit "zurückhaltender Empörung" zu, wie es die SPD mit der Linkspartei versucht.

Die Achse Kauder-Struck garantiert den Fortbestand der Koalition. Erstmal. Bild: dpa

BERLIN taz Natürlich schauen auch die Berliner CDU-Politiker im Moment wie gebannt nach Hessen. Aber sie versuchen dabei cool zu bleiben. "Ich empfehle uns zurückhaltende Empörung", sagt ein Regierungsmitglied am Mittwoch zur taz über das rot-rote Techtelmechtel - und muss selbst ein bisschen lachen. "Zurückhaltend empören" klingt paradox, doch genau so halten es bislang alle namhaften Christdemokraten in der Hauptstadt. Ob Fraktionschef Volker Kauder, sein Vize Wolfgang Bosbach oder Generalsekretär Ronald Pofalla: Bei ihren Statements folgt auf die Verurteilung von Andrea Ypsilantis "außerordentlichem Wortbruch" (Kauder) stets postwendend die Versicherung, der Vorgang habe "keine Auswirkungen auf die Arbeit der Bundesregierung" (Pofalla).

Kann man das glauben? Kann die große Koalition einfach weiter machen wie gewohnt, obwohl doch auch die CDU-Chefin Angela Merkel höchstpersönlich ihrem SPD-Pendant Kurt Beck nach dessen Öffnung zur Linkspartei "Wortbruch" vorgeworfen hat? Die Antwort ist: Ja - und Nein. "Natürlich belastet das das Klima der großen Koalition", sagt Kauder - und fügt hinzu: "ein wenig". Der Ton wird rauer, aber über Neuwahlen - das jedenfalls darf man glauben - denkt kein ernstzunehmender Unionspolitiker ernsthaft nach. Laut Kauders Darstellung gibt es eine Garantie für den Fortbestand der Regierung: Sein gutes persönliches Verhältnis zum Fraktionsvorsitzenden-Kollegen von der SPD. "Ich kann mich auf das Wort von Peter Struck verlassen und so lange dies möglich ist, ist auch die Arbeit in der großen Koalition möglich", betont Kauder - und macht sich wichtiger als er ist.

In Wirklichkeit entscheidet nur eine über den weiteren Umgang der Union mit der SPD: die dank glänzender Umfragewerte unangefochtene Chefin Merkel. Und die habe "ganz sicher kein Interesse an einem Ende der Koalition", versichern ihre Leute. Jetzt Neuwahlen provozieren? "Das wäre völliges Harakiri", sagt ein Merkel nahe stehender CDU-Mann mit Regierungsamt. Erstens ließe sich eine Aufkündigung der Koalition im Bund nicht überzeugend mit hessischen Ereignissen begründen. Zweitens gebe es "ja keine Garantie, dass es für eine neue Koalition mit einem kleinen Partner bei vorgezogenen Wahlen reicht".

Deshalb bemüht sich die CDU lieber darum, als stabiler Teil der Regierung zu erscheinen, gleichzeitig mit den Grünen anzubandeln und damit neue Machtoptionen für 2009 zu erschließen. Da die schwarz-grüne Annäherung in der Union erstaunlich geräuschlos akzeptiert wird, kann die CDU umso schadenfroher zuschauen, wie sich die SPD über ihr Verhältnis zu den Linken streitet - und in den Umfragen absinkt. Die Christdemokraten fühlen sich in einer Win-Win-Situation: Entweder Ypsilanti fällt gleich bei der geheimen Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag durch, worauf viele setzen - oder sie regiert wirklich mit den Linken. Dann, so der Merkel-Vertraute, hätte die Union ein Dauerwahlkampfthema: Das Schreckgespenst einer möglichen rot-roten Zusammenarbeit im Bund: "Dass Beck das nicht machen würde, glaubt ja niemand mehr, nicht einmal der SPD-Fraktionsvize in Hessen, Jürgen Walter". Bei ihren gelassenen Gedankenspielen verdrängen die CDU-Politiker nur eine Möglichkeit: Dass Ypsilanti Erfolg haben und zeigen könnte, dass das Land auch mit rot-roten Regierungen nicht untergeht.

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