Kabarettist Josef Hader über das Alter: "Ich hab nicht mehr viel Zeit"

Josef Hader erlebt echten Fortschritt: Wenn ihm einer sagt: "Sie etabliertes Arschloch, Sie" - dann hält er das aus. Der Schauspieler über das Altern, Egoismus und Schwäche.

"Wenn man älter ist, sollte man grantiger werden und nicht mehr so nett sein" . Bild: lukas beck

taz: Herr Hader, kommen Sie voran mit Ihrem Leben?

Josef Hader: Das zu sagen wäre übertrieben. Was mir aber immer stärker gelingt: Ich fahre nicht mehr stupide das ganze Jahr rum, sondern teile mir die Zeit ein in ein bisschen Film, ein bisschen Schreiben, ein bisschen Kabarett. Das ist der einzige Fortschritt in meinem persönlichen Leben.

Macht Sie das glücklich?

Geboren am 14. Februar 1962 im oberösterreichischen Waldhausen. Bauernkind. Aufgewachsen in Nöchling, Niederösterreich. Messdiener, Klosterinternat, Lehramtsstudium für Deutsch und Geschichte. Lebt in familiären Strukturen. Programme u. a.: "Bunter Abend" (90), "Im Keller" (91), "Privat" (94), "Hader spielt Hader" (97) Aktuelles Stück: "Hader muss weg". 19.-22., 28./29. März, 2.-6. April, Berlin, Admiralspalast, Tel (0 30) 47 99 74 99). Weitere Termine: www.hader.com Projekt 2008: Dreht dritte Haas-Verfilmung: "Der Knochenmann".

Das nicht. Aber ich bin sehr befriedigt darüber, denn es zeigt mir, dass es eben doch Fortschritt gibt. Vorher dachte ich eine Zeitlang, ich würde ewig gleich bleiben und ewig dieselben Fehler machen. Es zeigt sich jetzt, dass man zumindest etwas doch ein bisschen besser macht, wenn man älter wird.

Tatsächlich?

Ja. Nicht in dem Grad, in dem man älter wird, aber ein bisschen doch.

Der Regisseur Klaus Lemke sagt dagegen: Niemand lerne irgendetwas dazu.

Das Gefühl hatte ich auch immer. Aber jetzt also das einzige, was einen wirklich dazu bewegt, manche Dinge anders zu machen, ist das Gefühl, das man nicht mehr so viel Lebenszeit hat. Das bewegt mich zwar privat überhaupt nicht

interessant

ja, da sind es immer dieselben Fehler, immer dieselben Katastrophen. Aber es gibt eben doch eine gewisse Angst, Dinge nicht mehr machen zu können, weil man vielleicht früh stirbt. Zumindest künstlerisch ist das manchmal befruchtend, weil man aus diesem Antrieb Projekte angeht, für die man sonst zu bequem wäre.

Ihr Begriff "früh sterben" zeigt, dass Sie Ansprüche stellen, die möglicherweise nicht berechtigt sind. Sie sind 46

ja, ja, ja

Jesus wurde 30.

Man weiß es halt nicht.

Es ist jedenfalls keine Rückwendung ins Private, weil sie die Welt oder das Kabarett eh nicht mehr retten werden?

Nein, nein, gar nicht. Es ist eher so, dass ich mir vorgenommen habe, nicht mehr so nett zu sein.

Was heißt das?

Früher war es so: Wenn ein kleiner Veranstalter anrief und sagte: Hallo, Herr Hader, ich hab einen 90-Leute-Keller in der Mitte Deutschlands, kommen Sie doch spielen. Dann habe ich gesagt: Sehr gern. Und dann bin ich gekommen.

Und heute?

Heute sage ich: Nein, danke, ich komme nicht.

Und dann?

Dann wird er böse und sagt: Warum nicht? Sie etabliertes Arschloch, Sie.

Was sagen Sie dann?

Ich sage: Nein, der Grund ist, dass ich 46 Jahre bin und nicht mehr so viel Lebenszeit habe. Sie hätten ja 20 Jahre lang anrufen können und haben nicht angerufen

raffiniert argumentiert

und jetzt sind Sie einfach zu spät dran. Weil ich brauche Zeit für andere Projekte, die ich auch noch machen will.

Und das verstehen die Veranstalter dann?

Meistens.

Haben Sie also das dazugelernt: Mit ihrer beruflichen Zeit sorgsamer umzugehen?

Das Hauptproblem ist nicht nur, mit der Zeit besser umzugehen. Mein Hauptproblem ist, dass ich es nicht aushalte, wenn ich nicht geliebt werde. Ich muss also in so einer Situation aushalten, dass der andere mich dann nicht liebt.

Sie beschimpfen in Ihrem Programm "Hader muss weg" und in Interviews Ihr Publikum doch auch unverblümt?

Das ist meine grundsätzliche Zerrissenheit. Einerseits will ich einen wilden Text schreiben, aber beim Spielen hätte ich es andererseits schon gerne, dass mich zum Schluss alle lieben. Das ist der Hauptgegensatz, aus dem heraus ich ticke. Ich weiß, dass es schon ein bisschen lächerlich ist.

Meistens überfordert dieser ambitionierte Ansatz die anderen Menschen.

Aber solange ich mich erinnern kann, seit ich zum ersten Mal Kabarett gemacht habe, in der Schule oder im Wirtshaus, da war es immer so: Ich wollte ein Böser sein und das machen, was das Publikum gar nicht will, jedenfalls nicht im Moment. Aber ich wollte sie immer bis zum Schluss überzeugt haben: Dass es richtig war irgendwie, was ich gemacht habe.

Klaus Lemke sagt, man lebe nur in seinen Fehlern.

Ich würde da nicht widersprechen. Aber ich erlebe mich oft schwach und bestimmt von anderen. In diesem Fehler möchte ich nicht nur leben, da möchte ich auch was dran ändern.

Welche Altersentwicklung schwebt Ihnen vor?

Ich finde, wenn man älter wird, sollte man schon anstreben, dass man grantiger wird, ein bisschen schlechter gelaunt ist, hier und da leichte Anfälle von Alterstrotz hat.

Altersstarre Senioren sind nicht grade gesellschaftliche Vorbilder, ein mild-seniles Lächeln kommt allemal besser.

Ich weiß schon. Aber ein bisschen kantiger sein, sich auch mal was erlauben: Das strebe ich an; grade auch, weil es mir schwerfällt.

Sind Sie egoistischer geworden?

Das ist man ja sowieso ständig. Jeder ist im Prinzip gleich egoistisch. Egal, ob er die Welt rettet oder ob er sich kleine rote Sportwagen kauft.

Ist das so?

Klar. Der eine ist nützlicher für die Gesellschaft und der andere ist weniger nützlich. Aber der Egoismus ist bei jedem Menschen gleich groß. Er drückt sich nur sympathisch aus oder unsympathisch.

Wenn Sie also doch bei Ihrem Kleinveranstalter spielen, dann ist das auch ein egoistischer Akt?

Ja, das ist es. Weil ich geliebt werde von ihm und das Gefühl habe, ich sei ein Supertyp.

Sie haben Ihren Egoismus also nur reformiert?

Ausgetauscht, genau. Ein bisschen modernisiert.

Haben Sie jetzt das Gefühl, dass Sie dadurch jetzt

ja, was?

mehr leben als vorher?

Nein, nein, nein. Leben tut man immer gleich wenig.

Freut mich, dass ich Sie zum Lachen gebracht habe.

Danke. Jeder versucht halt immer, aus seinem Leben alles rauszuholen.

Oder tut jeder in Wahrheit alles, um das nicht zu erreichen, was er eigentlich will?

Hm, stimmt. Ich spiel ja doch bei kleinen Veranstaltern. Allerdings nur bei solchen, die ich schon länger kenne.

Deprimiert wirken Sie aber tatsächlich nach wie vor nicht.

Bin ich auch nicht. Ich werfe ja jeden Abend diese schlechten Dinge ins Publikum und bin dann frei davon.

Das klingt etwas eingeübt.

Sagen wir so: Irgendeine Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben besteht immer, wenn man für die Fantasie anfällig ist.

Und wer ist das nicht?

Eben.

INTERVIEW: PETER UNFRIED

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