Kommentar Ypsilantis Linkswende: Volles Risiko

Andrea Ypsilanti will sich in Hessen jetzt doch mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Scheitert sie, dann ist nicht nur sie, sondern auch SPD-Chef Beck geliefert.

Endlich ist die Eierei der hessischen Sozialdemokraten zu Ende. Das verdruckste, seltsam unpersönliche Dauerbekenntnis ihrer Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, es sei nicht einmal in ihr selbst entschieden, ob sie sich mit den Stimmen der Linken wählen lasse, war nicht mehr mit anzuhören. Welche Instanz auch immer "es" in Frau Ypsilanti entschieden hat - jetzt will sie sich doch mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Sogar das böse M-Wort nahm sie zum ersten Mal in den Mund. Ja, die hessische SPD plane eine rot-grüne Minderheitsregierung, bekannte Ypsilanti.

Diese Entscheidung ist konsequent, mutig - und sehr riskant. Wenn man die Hysterie der vergangenen Wochen mal ignoriert und die politische Lage kühl betrachtet, dann ist eine rot-grüne Minderheitsregierung die logische Folge einer verfahrenen Situation. Ein geschlagener Ministerpräsident Roland Koch; ein Patt zwischen CDU und SPD im Landtag; ein kluger, auf Ökologie und soziale Gerechtigkeit zielender Wahlkampf von SPD und Grünen; eine Linkspartei, die nicht gefährlich, aber auch nicht regierungsfähig ist - diesen hessischen Verhältnissen entspricht ein rot-grünes Bündnis am ehesten.

Dass hier eine Minderheitsregierung zusammenkommt, ist nicht die ideale Lösung, aber auch kein Drama. Niemand muss sich vor Weimarer Verhältnissen fürchten. Die skandinavischen Länder zeigen, dass Minderheitsregierungen nicht in politischer Blockade und im Chaos enden müssen. Sie können sogar Debatten über Sachfragen befördern. Das neue Fünfparteiensystem wird diesen Ausweg in Zukunft noch öfter weisen. Gemach, gemach, Minderheitsregierungen werden damit nicht gleich zum Normalfall. Aber wir sollten aufhören, sie als Betriebsunfälle der Geschichte zu betrachten.

Und trotzdem: Das Risiko, das Andrea Ypsilanti eingeht, ist sehr hoch. Erhält sie bei der Wahl zur Ministerpräsidentin keine Mehrheit, ist mehr als nur ihre Karriere gescheitert. Kurt Beck wäre gleich mit geliefert. Die gesamte SPD stünde wegen ihres ungeklärten Verhältnisses zur Linken vor einer Zerreißprobe. Falls auch nur ein einziger Abgeordneter mit dem Gedanken des Königsmordes spielt - seine Zerstörungskraft dürfte ihn berauschen.

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