Verfilmung der Senait-Biografie "Feuerherz": "Töten böse"

Luigi Falorni verfilmt die Biografie der Sängerin und Ex-Kindersoldatin Senait Mehari. Viel mehr als "Töten böse, Musik unböse" bleibt aber nicht.

Momo in der Wüste? Bild: berlinale

Das große öffentliche Interesse für diesen Film verdankt sich dem Regime des Authentizismus, der Biopics und der Celebrity Culture. In einer Zeit, in der man keine mittelinteressante Soul-Platte mehr aufnehmen darf, ohne mindestens Kindersoldat im echten Leben gewesen zu sein, Filme nur noch von eigenen intimen Körperteilen und Verwundungen, Romane nur noch von echten Erlebnissen mit wirklich gehabten Boy- und Girlfriends handeln, ist nicht etwa das Private politisch geworden, sondern das Politische zur Privatsache runtergedimmt worden. Man verhält sich zu Ideen und Tatsachen nicht kraft einer Einsicht, sondern nur noch aufgrund persönlicher Verwicklung. Klatsch, Spionage und Intimitätsterror sind an die Stelle von Urteilen mit Wahrheitsanspruch getreten und versehen die Kontrollgesellschaft mit Fleisch.

Zum Streit über die Glaubwürdigkeit von Senait Meharis Buch "Feuerherz", auf dem dieser Film basiert, kann der Filmkritiker wenig beitragen. Er war nicht dabei, damals in Eritrea, als zwei rivalisierende Befreiungsarmeen einander bekämpften und dafür auch Kinder rekrutierten. Aber den Öffentlichkeitstypus, der sich nicht zum ersten Mal bei dieser Berlinale nicht für die immanente Qualität eines Films oder für die argumentative Stichhaltigkeit eines Debattenbeitrages interessiert, sondern immer nur die warme Authentifizierung durch einen echten Menschen mit weit aufgerissenen Kinderaugen in ausgewachsenen Journalistengesichtern zur Kenntnis nimmt, kann man nicht mehr als gegeben durchgehen lassen.

Nun umgeht Luigi Falorni in seiner Verfilmung das verminte Gelände dieser Glaubwürdigkeitsdebatte. Der Film ist klein, hält sich zurück und trägt selbst seinen christlichen Pazifismus nicht besonders dick auf. Er trägt allerdings auch nichts anderes auf. Er zeigt ein wenig Guerillakrieg und auch nur den - und zwar aus der Perspektive eines kleinen Mädchens. Das ist bei Nonnen aufgewachsen und hat daher gelernt, man solle im Zweifelsfall die andere Wange hinhalten. Das kommt bei den Guerilleros nicht so gut an. Die prinzipielle Frage, wann und wo man vielleicht wirklich die andere Backe tatsächlich nicht hinhalten sollte, bleibt so undiskutiert wie alle anderen Fragen: Warum kämpfen die, gegen wen, worin bestehen die Differenzen, wer gibt die Befehle? Die Antwort, warum alles undiskutiert bleibt: Die Geschichte wird aus der Kinderperspektive erzählt. Und was weiß ein Kind über diese Dinge?

Nun, es weiß genug, um aus lauter Pazifismus einen kleinen Angriff seiner Truppe zu sabotieren, indem es die Magazine leert. Es weiß genug, um ständig mit seinem auf dem rechten Fleck sitzenden Herz gegen die bösen, fanatisierten Guerilleras zu renommieren. Es weiß im Prinzip genau das, was ein nur an Biografien, nicht an Geschichte interessiertes erwachsenes Publikum auch weiß: Töten böse, laut brüllende Frauen suspekt, Artillerie irre laut, Gesang unböse.

Über die psychische Zerrüttung und Verwahrlosung einer Kindersoldatin erfährt man ebenso wenig wie über den italienischen Kolonialismus oder die äthiopische Herrschaft in Eritrea. Diese Soldatin hier ist nämlich nicht zerrüttet, und es geht auch nicht um ihre kleine Seele. Es geht um den üblichen infantilisierten Blick, für den sich Erwachsene gerne wuschelige, kleine süße Dinger leihen. Momo in der Wüste.

DIEDRICH DIEDERICHSEN

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