Rolle des Geschlechts in US-Vorwahl: Hillary Clinton - Pionierin in Not

Hillary Clinton will erste US-Präsidentin werden. Welche Rolle spielt das Geschlecht? Und wie sehen das die Amerikanerinnen?

Galt als First Lady mit Ambitionen für viele als neue "Yoko Ono": Hillary Clinton Bild: dpa

Kann der mächtigste Mann der Welt eine Frau sein? Es scheint, als wollten die AmerikanerInnen dieser Tage die Frage eher wieder mit Nein beantworten. In den meisten Kommentaren wird dabei darauf verwiesen, dass dies wenig mit Hillary Clintons Geschlecht zu tun habe. Sie werde einfach zu sehr mit dem Establishment identifiziert, sei den Amerikanern zu unsympathisch und wirke weniger charismatisch als ihr Konkurrent Barack Obama. Es sei ja nicht so, dass diejenigen, die sie ablehnten, grundsätzlich keine Frau als Präsidentin haben wollten. Sie wollten nur diese Frau nicht.

Diesem Befund widersprechen allerdings einige andere Beobachtungen, die man in diesem bemerkenswerten Wahlkampf auch machen kann. So wird er ja unter anderem deshalb für so spannend gehalten, weil es neu ist, dass ein Schwarzer und eine Frau sich bewerben. Und diese Merkmale werden durchaus als Manko wahrgenommen: Laut einer Umfrage für CNN glaubten im Januar nur 65 Prozent der Befragten, das Land sei bereit für eine Präsidentin. Mit 72 Prozent fanden immerhin einige mehr, es sei reif für einen schwarzen Präsidenten.

Unbestreitbar eine Rolle spielt Clintons Geschlecht für etliche Wählerinnen. Viele Unterstützerinnen möchten mit Hillary die Ankunft der Frauenbewegung im Zentrum der Macht feiern. Die erfolgreichste dieser Organisationen ist "Emilys List", die 1985 gegründet wurde, um liberalen Frauen den politischen Durchbruch zu ermöglichen. Mit ihrer finanzkräftigen Hilfe errang eine lange Reihe von Demokratinnen politische Mandate - bis hin zu Nancy Pelosi, der Führerin der Demokraten im Repräsentantenhaus. Nicht, dass Clinton noch auf Beratung und Geld von Emily angewiesen wäre. Doch die über hunderttausend Frauen, die zu Emilys Millionenetat beitragen, stehen für die Frauen, denen es durchaus wichtig ist, dass Frauen politische Ämter übernehmen.

Aber so eindeutig sind die Befunde auch bei den Frauen nicht. Insgesamt wählten sie bisher zwar eher Clinton als Obama. Doch schon bei den jüngeren Frauen sieht das anders aus. Für sie zählt das Geschlecht doch nicht so stark. Eine Studentin des berühmten Frauen-Colleges Wellesley, das auch Clinton besucht hat, sagt der Washington Post, es sei ja wohl sexistisch, wenn man Clinton nur wähle, weil sie eine Frau sei. Mit anderen Worten: Jüngere stehen nicht auf diese Art von Affirmative Action, sie wollen von der Person überzeugt sein - und das sind sie von Obama mehr als von Clinton.

Damit ergibt sich ein interessanter - und für Feministinnen schmerzhafter - Effekt: Man geht davon aus, dass es einer als plump wahrgenommenen Symbolpolitik nicht mehr bedarf. Dabei ist der Beweis dafür noch gar nicht erbracht, denn noch hat keine Frau im Oval Office gearbeitet. So besteht die Gefahr, dass es schlicht beim Status quo bleibt. Und der lautet etwa, dass 84 Prozent der Abgeordneten im US-Kongress Männer sind.

Dass es für so wichtige Gruppen stärker auf die Persönlichkeit anzukommen scheint, verweist auf den schwierigsten Punkt einer genderpolitischen Betrachtung: Könnte auch Clintons Selbstdarstellung oder ihr unsympathisches Image einen geschlechtsspezifischen Hintergrund haben?

Ein Problem etwa ist, dass Frauen generell nicht automatisch mit Macht im positiven Sinn konnotiert werden. Härte, Durchsetzungskraft, Ambition - all diese "machtvollen" Eigenschaften werden eher Männern zugeschrieben. Eine mächtige Frau gilt schnell als "herrschsüchtig", "überehrgeizig", "kalt" und damit vor allem: "unweiblich". So wurde Hillary Clinton als First Lady mit politischen Ambitionen schnell zur "Yoko Ono" und "feministischen Hexe". Umgekehrt galt: Immer, wenn sie sich typisch "weiblich" im Sinne von "schwach" und "verletzbar" zeigte, stieg sie in der Gunst der WählerInnen. Ihre Sympathiewerte wuchsen während der Lewinsky-Affäre ihres Mannes auf sagenhafte 70 Prozent. Und die bereits verloren geglaubte Vorwahl Mitte Januar in New Hampshire gewann sie, nachdem sie einmal ihre Erschöpfung und damit "Schwäche" zugab. Die Genderforschung nennt dieses Phänomen Double-Bind: Die starke Frau soll bitte weiblich bleiben, aber die Weiblichkeit schließt sie quasi von der Macht aus.

Auch hier treffen wir auf Generationenprobleme. Das eine: Nachgeborene Frauen werden wohl nicht mehr auf die Idee kommen, als nicht gewählte Ehegattin eines Präsidenten etwas von dessen Macht zu beanspruchen, wozu Clinton als First Lady tendierte. Solche Manöver sind Relikte aus Zeiten, als Frauen keinen anderen Zugang zur Macht hatten, und leisten bösen "Lady Macbeth"-Beschimpfungen natürlich Vorschub. Im Gegensatz dazu konnte Clinton später als New Yorks Senatorin zeigen, dass sie auch als gewählte Politikerin Erfolg haben kann.

Das andere Generationenproblem aber bleibt: Clinton gehört augenscheinlich zu der Altersgruppe von Frauen, die sich gerade wegen des Double-Bind so gut es irgend ging absichern musste, wenn sie Macht haben wollte. Keine Angriffsfläche zu bieten, härter zu arbeiten als Männer, das war bisher die Devise, um in einem männlich dominierten Feld durchzukommen. Bis heute wird Clinton - etwa von ihren Biografen Jeff Gerth und Don Van Natta - vorgeworfen, sie könne keine Fehler zugeben. Dieser Haltung schreiben die beiden auch Clintons bedingungslose Zustimmung zum Irakkrieg zu. Anders als etwa ihr Konkurrent John Edwards hat sie es nie als ihren Fehler bezeichnet, die Kriegsgründe der Bush-Regierung nicht genauer überprüft zu haben. So etwas macht einen auch nicht gerade sympathischer.

Jüngere Kommentatorinnen halten ihr diese Härte und Glätte vor. Erst eine Schwäche zugeben zu können, mache menschlich und damit wählbar, schrieb beispielsweise die Kommunikationsberaterin Miriam Meckel jüngst in der Zeit.

Aber Hillary Clintons Lebenserfahrung ist offenkundig eine andere. Sie hat noch erlebt, dass Weiblichkeit ein Ausschlussgrund ist: Als sie in ihrer Highschool für die Schülervertretung kandidierte, warf ihr der männliche Mitbewerber entgegen, sie sei "wirklich dumm", zu glauben, dass ein Mädchen diesen Posten ergattern könne. Sie wurde es nicht. Die Nasa, bei der sie sich einst über eine Astronautenkarriere erkundigte, schrieb in dürren Worten zurück, man nehme keine Frauen.

Ein Wunder ist es nicht, wenn Frauen nach solchen Erfahrungen verinnerlichen, sie müssten die besseren Männer werden. So gesehen hätte Clinton eine undankbare Rolle als Pionierin: Verhärtet im Kampf um eine Macht, der ihre Töchter sich schon lockerer nähern können, und mit Methoden, die den Töchtern extrem uncool erscheinen. Wenn man diese Logik fortschriebe, hieße das, dass Clinton wohl nicht Präsidentin wird. Denn Pionierinnen kommen selten ganz am Ziel ihrer Träume an. Andererseits: Was genau hatten Wahlen noch mal mit Logik zu tun?

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