Kulturaustausch: Improvisieren für Afrika

Fünf Studenten vom Verein "Commit to partnership" bereiten sich mit Theater auf ihre Reise nach Uganda vor. Sie wollen dort keine Entwicklungshilfe machen - sondern selbst etwas lernen.

Bewohner von Kampala, Uganda. Bild: RTR

"Was hast du hier zu suchen?", pöbelt Klaus die neue Klassenkameradin Janina an. Dann holt er aus und tritt sie einfach um. "Zeig es dem Ausländerpack mal", jubelt Hans. Janina liegt zusammengekauert am Boden und versucht den Angreifer mit Worten abzuwehren: "Lass mich in Ruhe, verpiss dich", stößt sie hervor, bis eine Klassenkameradin ihr zur Hilfe kommt, sie an der Hand nimmt und Hans wegdrückt: "Sie ist auch ein Mensch wie du." Hans ist perplex, dass ihm jemand widerspricht, das ist er offensichtlich nicht gewöhnt. Als Janina wieder steht, streckt er ihr seine Hand entgegen: "Ich bin Klaus", sagt er.

"Reden wir mal kurz darüber. Wie war es für euch?", fragt die Theaterschauspielerin Kathrin Sauerborn in die Runde. Die acht Laiendarsteller sind vom Berliner Verein Commit to partnership und proben in einer Privatwohnung in Kreuzberg für die Reise in die ugandische Hauptstadt Kampala am 25. Februar: Dort wollen sie vier bis sechs Wochen lang mit afrikanischen Jugendlichen arbeiten, über häusliche Gewalt und Frauenunterdrückung sprechen sowie über Aids aufklären. Und das vor allem mit dem Mittel des Theaters. "Theater ist ein guter Weg, um Jugendlichen mehr Selbstbewusstsein zu geben und Sprachbarrieren zu überwinden", sagt Sauerborn. Die Münchnerin lehrt die Uganda-Reisenden für zwei Tage eine Art Impro-Theater. "Die Leute hier sind gut gerüstet", zeigt sich Sauerborn zufrieden.

Dialog als Form der Hilfe

Etwa 15 Studenten gründeten den Verein im Dezember 2005, nachdem zwei Mitglieder des 2003 gebildeten Münchner Commit-Vereins nach Berlin gezogen waren. Die gemeinnützige Organisation unterstützt Projekte von Nichtregierungsorganisationen in Afrika. Bereits zweimal sind je acht Ehrenamtliche ins damals noch friedliche Kenia gereist, wo sie unter anderem für Recycling sensibilisieren und über Aids aufklären wollten. Statt Entwicklungszusammenarbeit setzen sie auf Kulturaustausch, Dialog auf gleicher Augenhöhe und gegenseitiges Lernen. "Es wäre anmaßend für uns junge, unausgebildete Deutsche, Entwicklungsarbeit machen zu wollen", sagt Claudia Simons, die Vorsitzende von Commit Berlin. Keiner auf beiden Seiten soll dominieren, beide sollen profitieren, so die 23-jährige Politologiestudentin von der Freien Universität.

Tatsächlich erwarten die jungen Berliner viel von der Ugandareise - und nehmen dafür einiges auf sich: Die Interessenten müssen sich zunächst bewerben und in Rollenspielen beweisen. Wenn sie ausgewählt werden, lernen sie über mehrere Wochen Landeskunde, entwickeln zusammen mit den afrikanischen Partnerorganisationen die Projekte und sammeln dafür Geld. Dieses Jahr sind die nötigen 2.500 Euro mit zwei Fundraising-Partys bereits zusammengekommen. Nicht darin enthalten sind die Kosten für den Flug nach Afrika und die Unterbringung in Höhe von je rund 1.500 Euro. Das zahlen die Teilnehmer aus eigener Tasche.

Was ist also der Reiz an der Arbeit in Afrika? "Es macht einfach unglaublich viel Spaß", sagt Claudia Simons, die selbst bereits einmal in Kenia mit dabei war. Zwar sei es sehr anstrengend, alles selbst auf die Beine zu stellen und die Projekte auszuarbeiten; am Ende der vier Wochen könne man aber sagen: "Das ist komplett unsere eigene Arbeit gewesen", erzählt sie mit leuchtenden Augen.

Für junge Menschen sei die Gruppe daher ziemlich attraktiv: Commit ziehe immer mehr Leute an: Inzwischen seien knapp 50 Mitglieder dem Verein beigetreten. Die Aktiven brächten viel Energie ein: "Es läuft. Du rufst jemanden an, und er macht es." Der Grund für das steigende Interesse sei, dass es "mehr Projekte gebe, mehr Expertise und dass wir immer professioneller werden", sagt die Commit-Vorsitzende.

Die Studenten wollten allerdings "kein Monstrum an Organisation" schaffen. Um unabhängig zu bleiben, habe der Verein sich bisher nicht um Fördergelder vom Staat oder von Stiftungen beworben. Commit lebe von der Improvisation und der Beweglichkeit, der Fluktuation der Mitglieder und den immer neuen Ideen. Hauptsächlich Studenten der Geisteswissenschaften sind aktiv. "Wenn wir mal einen Maschinenbauer haben, jubeln wir", sagt Simons.

Kein Projekttourismus

Andreas Hirblinger ist einer der acht aus dem "Ugandateam" und Geschäftsführer von Commit. Er koordiniert das Projekt mit dem Rainbow-House, einer NGO in Ugandas Hauptstadt Kampala, die sich für benachteiligte Jugendliche einsetzt. Nachdem der 22-Jährige seinen Zivildienst in Tansania abgeleistet und in München mit Jugendlichen gearbeitet hatte, will er nun unbedingt wieder nach Afrika. Zwar gebe es einen regen E-Mail-Austausch mit Uganda, doch welche Projekte am Ende in Angriff genommen werden, ist noch offen. "Ich hätte gerne ein festes Programm, da bin ich ein Stück weit Perfektionist", sagt der Sozialwissenschaftsstudent an der Humboldt-Universität. Den Vorwurf des "Projekttourismus" will er nicht gelten lassen: Der Schwerpunkt von Commit liege beim Kulturaustausch.

Zumindest ein Projekt hat schon in diesen Tagen begonnen: In Neukölln und anderen Bezirken fotografieren 40 Berliner Schüler Situationen der Unterdrückung. Auch in Kampala sollen das 40 Kinder tun. Das Ergebnis dieses Experiments soll zunächst in Uganda präsentiert werden, nach der Reise dann in Berlin. Außerdem wollen die Vereinsaktivisten an zwei Berliner Schulen über die Erfahrungen der Afrikareisen erzählen.

Kathrin Streicher will sich mit der Ugandareise ein eigenes Bild von Afrika machen und Vorurteile abbauen - negative wie positive. Die Uganda-Gruppe aus drei Männern und fünf Frauen harmoniere perfekt, sagt die 27-jährige Fotografin. Im Verein werde es schon scherzhaft "Kuschelteam" genannt. Keine Illusionen mache sich das Team bei den eigenen Ansprüchen: Ein "Anstoß" soll angeregt werden und ein "bisschen etwas" erreicht werden, statt gleich zu fordern: "Wir verbessern jetzt die Welt."

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