Neue "Spiegel"-Chefs treten an: Aust ist raus

Allen Protesten zum Trotz: Stefan Aust ist als "Spiegel"-Chef beurlaubt. Mathias Müller von Blumencron und Georg Mascolo übernehmen. Und zwar ab sofort.

Der Entthronte nimmt den Hut. Bild: ap (bearb:taz)

Jetzt ist zu guter letzt unter Stefan Aust auch noch einmal Dienstag Spiegel-Tag geworden. Denn gestern trafen sich Stefan Aust, Spiegel-Chefredakteur, und Mario Frank, Geschäftsführer des Spiegel-Verlags, zu einem Gespräch. Aust erfuhr dort, was kurz darauf in einer Pressemitteilung bekannt gegeben wurde. Erstens: Mathias Müller von Blumencron, 47, Chefredakteur von Spiegel Online, und Georg Mascolo, 43, Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros, übernehmen ab sofort die Chefredaktion des Nachrichtenmagazins.

Dass sie die neue Doppelspitze bilden sollten, war seit geraumer Zeit bekannt; es fehlte aber noch die offizielle Zustimmung des am Spiegel mit 25,5 Prozent beteiligten Verlags Gruner+Jahr. Wichtigste Botschaft in diesem Satz also: "ab sofort". Und zweitens: dass Stefan Aust, der Vorgänger von Müller von Blumencron und Mascolo, gestern mit sofortiger Wirkung als Chefredakteur abberufen und freigestellt wurde. Der Internetseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge ist er von 26. März an "beurlaubt" und nimmt bis dahin seinen Jahresurlaub.

Noch am Montag hatte Aust die Redaktionskonferenz geleitet, während seine Anwälte ihn vor Gericht vertraten - Aust hatte Kündigungsschutzklage eingereicht; ein Gütetermin vor dem Hamburger Arbeitsgericht erbrachte keine Einigung zwischen Aust und Verlag.

Im November hatte der Spiegel-Verlag auf Initiative der Mitarbeiter-KG, die mit 50,5 Prozent daran beteiligt ist, Austs Vertrag zum Jahresende 2008 gekündigt. Aust dagegen geht von einem Beschäftigungsverhältnis bis 2010 aus. Uneins sind sich Aust und Verlag damit auch über die Frage, ob er sein Gehalt bis Ende 2008 oder 2010 erhält, und über Höhe seiner Abfindung. Diese Uneinigkeit bleibt bestehen: Für den 7. Mai ist der nächste Gütetermin vor dem Arbeitsgericht angesetzt. Und doch ist nun eines anders: Es ist jetzt ein Streit, der nicht mehr direkt in die Redaktion hineinstrahlt.

Mit Mascolo und Müller von Blumencron übernehmen zwei Spiegel-Zöglinge die Chefredaktion. Sie sind, je nach Perspektive, Notlösung oder Ideallösung. Notlösung, weil der eigentliche Kandidat der Mitarbeiter KG, "heute journal"-Chef Claus Kleber, noch abgesagt hatte, als er quasi schon installiert war. Dass es einen Chefredakteur von außerhalb geben würde, war danach so gut wie ausgeschlossen, auch wenn zuvor zahlreiche Namen gehandelt worden waren. Wer gibt schon gerne den Notnagel? Das neue Duo ist eine Ideallösung, weil beide den Spiegel gut genug kennen, um alle Gräben umwandern zu können.

Mascolo hat sich als investigativer Journalist hervorgetan, Müller von Blumencron hat aus Spiegel Online die erste ernstzunehmende Internetpublikation in Deutschland gemacht. Allerdings heißt es von ersterem, er sei als Autor nicht profiliert genug, zweiterer wird für einen Boulevardisierungstrend kritisiert. Ob der Spiegel also nun wieder politischer wird als unter Aust, bleibt abzuwarten. Der typische Spiegel-Titel der Zukunft wäre - aus der Kritikerperspektive - wohl ein gut recherchierter Titel über Nicolas Sarkozys Liebeleien. Vielleicht ist es aber ein gutes Zeichen für den neuen Spiegel, dass der noch unter Aust erschien. Klaus Raab

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