Kommentar USA: Wenn McCain, dann Obama

Der Republikaner McCain, von vielen bereits abgeschrieben, schwingt sich zum Favoriten für die Präsidentschaftswahl auf. Um gegen ihn zu gewinnen, brauchen die Demokraten Obama.

Was für ein Absturz! Noch im Sommer vergangenen Jahres stand New Yorks Exbürgermeister Rudy Giuliani, der Star aus den Trümmern des 11. September 2001, nahezu unangefochten an der Spitze der republikanischen Präsidentschaftsbewerber. Noch im Herbst diskutierte die christliche Rechte darüber, ob sie Giuliani wohl unterstützen werde, nicht aus Überzeugung, sondern um - schauder - Hillary Clinton zu verhindern.

Und dann kam das wohl dümmste Wahlkampfteam aller Zeiten zusammen und sorgte dafür, dass Giuliani im Kandidatenrennen noch nicht einmal losgelaufen war, als die anderen Favoriten sich bereits der Ziellinie näherten. Insbesondere John McCain hat gute Chancen, den Schwung aus Florida tatsächlich mit in den kommenden "Super Tuesday" zu nehmen, an dem in fast zwei Dutzend Bundesstaaten gewählt wird. Kann er seine bisherigen drei Erfolge nächste Woche bestätigen, ist er so gut wie durch.

Das ist die gute Nachricht: Die rechten Prediger und Fanatiker bekommen diesmal offenbar keine Chance. Mit McCain würde ein Politiker für die Republikaner antreten, der noch vor den Wahlen 2004 immer mal wieder als möglicher Vizepräsidentschaftskandidat gehandelt wurde - für die Demokraten. Seine heftige Kritik an Bushs Menschenrechtspolitik im "Krieg gegen den Terror" hat McCain weltweit Ansehen eingetragen, und auch in anderen neuralgischen Punkten ist er den Rechtskonservativen in den USA ein Dorn im Auge, selbst wenn er sich redlich Mühe gibt, mit Antiabtreibungsrhetorik und einem Lob der Ehe ein paar Sympathiepunkte zu ergattern. Für die Demokraten ist McCain als strikter Befürworter eines fortgesetzten Irakeinsatzes heute keine Option mehr.

Auf demokratischer Seite hat erneut Hillary Clinton gewonnen. Zwar bringt ihr die Vorwahl in Florida aus parteiinternen Gründen keine Delegiertenstimmen - ein Warnzeichen für ihren Konkurrenten Barack Obama ist sie trotzdem. Keiner der Kandidaten hat in Florida Wahlkampf geführt, und dennoch gewinnt Hillary Clinton klar - das kann Obama nicht gefallen. Den Demokraten insgesamt letztlich auch nicht. Denn es ist kaum vorstellbar, dass die Republikaner die rechte Stammwählerschaft und die christlichen Konservativen im November in Massen für John McCain an die Urne bringen - es sei denn, es gälte, die verhasste Hillary Clinton zu verhindern. Es ist absurd: Je klarer McCain Favorit der Republikaner wird, desto mehr brauchten die Demokraten zum Gewinnen ein unbeschriebenes Blatt wie Obama.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.