Für eine Jamaica-Koalition: "Petra Roth wäre eine Alternative zu Koch"

Der CDU-Experte Warnfried Dettling glaubt, dass Roland Koch in Hessen nun nicht weiterregieren kann.

Wenn Koch nicht weiterregieren kann, hat die CDU-Chefin Angela Merkel einen potenziellen Rivalen weniger. Christian Wulff lächelt weiter unverbindlich. Bild: dpa

taz: Herr Dettling, welche Lehre muss die CDU aus den Landtagswahlen vom Sonntag ziehen?

Warnfried Dettling: Das Ergebnis in Hessen ist und bleibt eine dramatische Niederlage für die dortige CDU und für Roland Koch. Dies kann aber eine heilsame Niederlage gewesen sein für die Bundes-CDU, wenn sie die richtigen Lektionen daraus lernt. Das Ergebnis zeigt, dass man mit einem Haudraufkonservativismus heute keine Wahlen mehr gewinnt. Die zweite Lehre ist: Eine Partei wie die CDU kann heute nur dann erfolgreich sein, wenn sie gleichsam drei Mehrheiten erreicht: die kulturelle, die ökonomische und die soziale Mehrheit. Das ist Koch nicht gelungen.

Die CDU-Führung sagt zu Kochs Ergebnis erst einmal: Knapp vorn ist auch vorn, er hat ein Recht, im Amt zu bleiben.

Aber Koch kann nicht weiterregieren. Mit der FDP reicht es nicht. Der äußerst knappe Vorsprung in letzter Minute hat zwar optische und kosmetische Bedeutung, und der Vorsprung wäre auch wichtig für den Ministerpräsidenten einer großen Koalition. Aber genau die ist unwahrscheinlicher geworden. Eine große Koalition mit Koch ist ziemlich undenkbar.

Sollte Koch also zurücktreten und den Weg frei machen für andere CDU-Politiker, damit es eine große Koalition gibt?

Ich denke, man muss grundsätzlich lernen, und auch die CDU muss lernen, dass die alten Koalitionsmöglichkeiten in der neuen 5-Parteien-Landschaft so nicht mehr aufgehen. Das heißt, für die Regierungsfähigkeit in Hessen und für den Erfolg der CDU hängt viel davon ab, dass sie neue Koalitionsmöglichkeiten wahrscheinlicher macht - und das bedeutet für die CDU natürlich ein neues personelles Angebot. Um ganz konkret zu sein: In dieser Lage, jedenfalls mittelfristig, wäre die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth eine personelle Alternative zu Koch.

Um auf die Grünen zugehen zu können?

Ja, um eine Jamaika-Koalition in Hessen möglich zu machen.

Jetzt schon?

Nun, ich denke, man muss zumindest darüber reden. Vielleicht geht es wirklich mit Petra Roth, die ja in Frankfurt bereits Schwarz-Grün macht, schon jetzt auch auf Landesebene. Der Punkt ist ganz einfach und gilt ganz grundsätzlich: In einem 5-Parteien-System sind 2-Parteien-Regierungen rechnerisch unwahrscheinlich. Deshalb kommt es für alle Parteien darauf an, dass sie neue Wege denken.

Vom Koch-Wahlkampf zu Jamaika zu kommen, das scheint ein weiter Weg zu sein. Stimmt es, dass ausländerfeindliche Töne generell nicht mehr ziehen, oder muss man es nur geschickter, subtiler als Koch tun?

Nein, man kann es nicht geschickter als Koch machen. Das merken ja die Leute, das merkt ja die Öffentlichkeit. Der Punkt ist der: Man kann heute Gott sei Dank keine Mehrheiten mehr gewinnen, indem man Minderheiten marginalisiert. Man kann mit ausländerfeindlichem Wahlkampf als eine rechtspopulistische Partei mal in einen Landtag kommen, aber man kann keine Mehrheiten gewinnen. Das bürgerliche Lager und das Bürgertum haben sich geändert, die Gesellschaft ist eine andere geworden, sie ist differenzierter, liberaler geworden - und das muss man in einem Wahlkampf, in der politischen Rhetorik, in der Ausstrahlung merken.

Wenn Sie recht behalten und Koch nicht weiterregieren kann, hat die CDU-Chefin Angela Merkel einen potenziellen Rivalen weniger. Kann man Koch als bundespolitischen Machtfaktor vergessen?

Nein. Koch ist gerade mal fünfzig Jahre alt. Selbst wenn wenn er eine Pause macht von knapp zwei Jahren bis zur nächsten Bundestagswahl, wird er, wenn er will, danach wieder auf der politischen Bühne sein.

Als Held der Konservativen in der CDU? Die jubeln ja jetzt schon: Totgesagte leben länger.

Koch hat zwar ganz knapp die Nase vorn, aber nun wirklich keinen Wahlsieg errungen. Ich glaube, dass der konservative Flügel in der CDU gedämpft ist, dass er keine Gesichter hat, die seine Sache attraktiv machen. Ich denke, auch Koch wird sich in Zukunft nicht mehr als konservativer Flügelmann inszenieren, sondern daran denken, dass er verloren hat, weil er einen Wahlkampf geführt hat, der eindimensionaler, um nicht zu sagen: einfältiger war als seine Politik.

Ist die Methode von Christian Wulff das neue Erfolgsmodell der CDU: Freundlich lächeln, unverbindlich bleiben?

Wulff hat in der Tat keine Angriffsflächen geboten. Das kann man aber in einem Land sehr viel leichter machen als im Bund. Da würde er alle Pfeile auf sich ziehen und könnte mit seiner sanften Methode nicht so einfach durchkommen. Ich denke, Wulff wird jetzt überschätzt, so wie Koch zu schnell zu grundsätzlich abgeschrieben wird.

Die SPD hat in Hessen mit dem Thema Mindestlohn Erfolg, in Niedersachsen nicht. Was heißt das für die Bundestagswahl 2009?

Für die Bundestagswahl heißt das, dass die SPD einen Wahlkampf der sozialen Gerechtigkeit führen wird. Mit diesen linken Themen wird sie aber auch die Linken weiter stärken, mit denen sie nicht koalieren will. So wird eine Regierungsbildung für die SPD außerordentlich schwer. Für die CDU kann das gut sein, wenn sie sich für neue Möglichkeiten, etwa mit den Grünen, öffnet.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF

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