taz-Serie "Kinder auf der Flucht" (III): Hier bin ich sicher

Neun Millionen Kinder sind weltweit auf der Flucht - neun Millionen Gesichter und Geschichten. Wir erzählen fünf davon. Auch die von Fatima Hussein aus dem Irak.

Nach ihrer Flucht aus Bagdad lebt Fatima Hussein bei ihrem Onkel in Amman. Bild: ton koene

Ich heiße Fatima Hussein, meine Heimat ist der Irak. Viele Menschen kennen mein Land durch den Krieg. Aber so war es nicht immer. Früher wohnte ich in einem schönen großen Haus in Bagdad: Wir hatten Fernsehen, Internet, Handys. Ich habe Barbies gesammelt.

Der Irakkrieg im Jahr 2003 hat dem Land keineswegs die erhoffte politische Stabilität gebracht. In dem Land herrschen nach wie vor bürgerkriegsartige Zustände, allein am Dienstag und Mittwoch starben bei Attentaten mehr als 50 Menschen. Die US-Besatzungsmacht wird abgelehnt, Aufständische bekämpfen sich gegenseitig. 4,4 Millionen Irakerinnen und Iraker sind geflüchtet, allein zwei Millionen nach Syrien und Jordanien. In Deutschland leben 36.000 Irak-Flüchtlinge. Dies ist Teil 3 der taz-Serie "Kinder auf der Flucht". In Teil 1, erschienen am 29. 10., begleiteten die Autoren den 12-jährigen Lobsang Lungtok, der von Tibet nach Nepal geflohen war. In Teil 2 vom 26. 11. erzählte Zanussi Nimir, wie er aus Darfur in den Tschad geflüchtet ist.

Eines Tages fielen Bomben auf meine Stadt. Ich war sieben Jahre alt und verstand nicht, was los war. Mein Vater sagte, es hätte etwas mit Saddam Hussein zu tun, unserem Präsidenten. Mein ganzes Leben änderte sich. Strom und Wasser fielen aus, tagsüber durfte ich nicht mehr draußen spielen, meine Schule wurde geschlossen. Ich saß zu Hause, von draußen hörte ich Schüsse. Ich hatte große Angst.

Nur mein Vater ging weiter arbeiten, er hatte ein Geschäft für Vorhangstoffe. Vor zwei Jahren passierte das Schlimmste, mein Vater wurde vor seinem Geschäft erschossen. Meine beiden Onkel standen daneben. Sie wissen nicht, wer ihn niedergeschossen hat und warum. Es ist einfach passiert, weil Krieg ist, sagten sie. Ich weiß nicht, ob das wahr ist. Ich habe tagelang geheult. Ich vermisse meinen Vater noch immer ganz furchtbar.

Fatima Hussein in Amman. Bild: ton koene

Nach seinem Tod beschloss Mama, dass wir aus dem Irak fliehen würden. Von unserem letzten Geld kaufte sie Flugtickets nach Amman, der Hauptstadt von Jordanien. Mama sagte, wir sollen so tun, als wären wir reich, damit sie uns ins Land lassen. Ich zog meine schönsten Kleider an und musste mich wie ein verwöhntes Kind benehmen. Nach langem Warten durften wir ins Flugzeug und zwei Stunden später landeten wir in Jordanien. Der Plan hatte funktioniert!

In Amman wohnen wir bei meinem Onkel. Er hatte meinem Vater versprochen, dass er für uns sorgt, sollte ihm etwas zustoßen. Und das macht er, er ist sehr lieb zu uns.

Wir sind hier viel ärmer als in Bagdad. Unser Haus ist klein, mein Bruder und ich schlafen auf einer Matratze auf dem Fußboden. Das klingt vielleicht schlimm, aber ich bin glücklicher als im Irak. Hier bin ich sicher. Zum Glück hat meine Mutter meine Lieblingsjeans eingepackt.

Seit kurzem besuche ich die Schule, das macht viel Spaß. Wenn ich den Kindern in meiner Klasse erklären soll, was Krieg ist, sage ich, dass Krieg sehr laut ist. Viele Menschen haben Angst, und einige, die du liebst, sterben. Wenn Krieg ist, kannst du nicht mehr draußen spielen. Aber ich rede nicht viel darüber. Meine Mama sagt, es ist besser, wenn ich mich auf die positiven Dinge konzentriere. ÜBERSETZUNG: UH

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