Endlich wieder Reiseland: Auch Sarajevo ist wieder da

Die schlanken Minarette der ersten Moscheen neben den trutzigen Türme der katholischen und orthodoxen Kirchen zeigen die kulturelle Mischung, die für Bosnien typisch war.

Sarajevo, Bascarsija-Platz in der Altstadt. Bild: Daniel Wabyick/cc

Von der kroatischen Küste kommend, findet man noch im Frühsommer die Spitzen der am Horizont auftauchenden Berge von Schnee bedeckt. Man fährt durch das trockene und vor Hitze glühende Karstland Dalmatiens, durch den „Stein“, wie die Leute hier sagen. Die Straße gewinnt jedoch schnell an Höhe. 80 Kilometer von Split entfernt befindet sich auf einem Bergrücken die Grenze Bosnien und Herzegowinas zu Kroatien. Noch herrscht der Karst vor in diesem Teil der mehrheitlich von Kroaten bewohnten Westherzegowina. Doch die Landschaft gewinnt an Weite. Das Hochtal, in der Livno liegt, ist schon fruchtbarer.

Und hin zum über 1.300 Meter hohen Kuprespass wird die Landschaft grün. Dort, auf der Passhöhe, wo die ersten Nadelwälder auftauchen, beginnt das eigentliche Bosnien. Die schlanken Minarette der ersten Moscheen, die trutzigen Türme der katholischen und orthodoxen Kirchen in Bugojno und Donji Vakuf weisen auf die kulturellen und religiösen Mischungen, die für Bosnien typisch waren und es teilweise noch immer sind. Die Bewohner des bosnischen Staats des Mittelalters, der bis 1453 den osmanischen Armeen trotzte, waren Christen, hingen aber zumeist der bosnischen Kirche an, die sich dem katholischen Papst nicht unterwerfen wollte.

Herätische Sekten wie jene der Bogumilen waren in Bosnien geduldet, in Mittel- und Westeuropa religiös und politisch Verfolgte flohen ins mittelalterliche Bosnien. Die bis heute noch im Bewusstsein vieler Menschen stark verwurzelte Toleranz gegen andere Religionen, die bis zum letzten Krieg 1992-95 die Gesellschaft prägte, hat im bosnischen Staat des Mittelalters ihren Ursprung.

Die alte Königsstadt Jajce liegt eingebettet in einem Gebirgstal. Die Kaskaden des Plivaflusses, der hier mit dem Vrbas zusammenfließt, geben der von einer Burg überragten Stadt eine besondere Atmosphäre. Das älteste Baudenkmal, der Tempel des Gottes Mitras aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, konkurriert mit den christlichen Katakomben und dem romanisch-gotischen Turm der Sankt-Lukas-Kirche. Mit Jajce als Königssitz erreichte der bosnische Staat des Mittelalters seine größte Ausdehnung, reichte von der Sava im Norden bis an das Mittelmeer. Mit den Hafenstädten Dubrovnik und Split eng verbunden, erlebte Bosnien damals eine kulturelle Blüte.

Kein Wunder, dass 1943 die für ein neues Jugoslawien kämpfende Partisanenbewegung an diesem historischen Platz den entscheidenden Kongress abhielt: Seine Beschlüsse begründeten das kommunistische Jugoslawien. Heute erinnert ein Museum an diesen Teil der Geschichte der Stadt. Im letzten Krieg wurde die Stadt von serbischen Truppen erobert, die kroatische und muslimische Mehrheitsbevölkerung musste im November 1992 fliehen. Erst 1995 gelang es kroatischen Truppen, die Stadt zurückzuerobern. Seither ist ein großer Teil der muslimischen Bevölkerung zurückgekehrt.

Auch die Nachbarstadt Travnik war im letzten Krieg in Gefahr, zerstört zu werden. Die erste Hauptstadt der Region nach der osmanischen Eroberung Bosniens im 15. Jahrhundert ist mit ihren Moscheen und der historischen Burg ein Kleinod islamisch-türkischer Baukunst. Travnik galt einmal als das „europäische Istanbul“ und war einer der wichtigsten Handelsposten zwischen Dubrovnik, Belgrad und Kleinasien. Mitte des 16. Jahrhunderts, als Sarajevo zum Zentrum des osmanischen Bosnien wurde, verlor es zwar seine administrative, nicht jedoch seine spirituelle Bedeutung. Für den bosnischen Islam ist die Stadt der Sturzbäche und Springbrunnen mit ihren vielen religiösen Schulen weiterhin ein Zentrum geblieben. Die mit Malereien und Ornamenten prächtig ausgestattete Jeni-Moschee zieht noch heute viele Menschen aus anderen Teilen Bosniens zum Freitagsgebet an.

Auch die osmanische Herrschaft ging relativ duldsam mit den unterschiedlichen Religionen um. Auch wenn Muslime weniger Steuern als Christen zahlen mussten. Erst mit der Annexion Bosniens durch das Habsburgerreich 1878 verschoben sich die Gewichte. Doch Wien hatte kein Interesse, das jahrhundertealte filigrane Nebeneinander und Miteinander der unterschiedlichen Volksgruppen zu stören.

Ivo Andric, der berühmteste Schriftsteller der Stadt, der für seinen Roman „Die Brücke über die Drina“ vor 42 Jahren den Nobelpreis erhielt, hat dieser Gesellschaft ein Monument gesetzt. In Travnik stehen nach wie vor die Moscheen neben den christlichen Kirchen. Das ist leider nicht überall in Bosnien mehr so. Während des letzten Krieges wurden mehr historische Baudenkmäler zerstört als während des Zweiten Weltkriegs oder der Kriege zuvor.

Die Römisch-Katholische Kathedrale in Sarajevo. Bild: Meral Akbulut/sxc

Die unter dem serbischen Präsidenten Slobodan Miloðevic in Belgrad formulierte Politik der Annexion eines Teils Bosniens führte zur Vertreibung aller Nichtserben aus den von den Serben eroberten Gebieten Bosniens 1992. Und das waren 66 Prozent des Territoriums. Um die 900 Moscheen, darunter jene berühmten wie die Aladza-Moschee in Foca und die Arnaudi-Moschee in Banja Luka, sowie viele katholische Kirchen wurden im Zuge der so genannten ethnischen Säuberungen mutwillig zerstört. Nichts sollte mehr an die früheren Bewohner erinnern.

Vor allem Freiwillige aus Serbien, so genannte Freischärler, weniger einheimische Serben taten sich dabei hervor. Dass seit 1993 Kroatien unter seinem Präsidenten Franjo Tudjman seinen Teil aus dem Kuchen Bosnien und Herzegowinas herausbrechen wollte, verschlimmerte die Lage in Zentralbosnien noch mehr. Nun begannen auch Kroaten, systematisch Nichtkroaten aus den von ihnen beherrschten Gebieten zu vertreiben. Nur dort, wo die Muslime das Land kontrollierten, kam es zu keinen organisierten Repressionen gegen andere Volksgruppen. In Sarajevo mit seiner muslimischen Mehrheit wurden die Kulturdenkmäler aller anderen respektiert.

Sarajevo hat dreieinhalb Jahre der Belagerung widerstanden. Hunderttausende von Granaten setzten die Stadt in Brand. Doch Spuren der Zerstörung sind heute kaum mehr zu sehen. Nicht nur die Altstadt erstrahlt in neuem Glanz, auch viele der modernen Hochhäuser sind wiederaufgebaut. Der Verkehr fließt wie eh und je stockend durch die zwischen den Bergen entlang dem Miljacka-Fluss eingezwängte Stadt. Der Name kommt von saraj, dem Schlaf- und Handelsplatz der Kaufleute. Mitte des 16. Jahrhunderts formte sie sich aus drei oder vier Dörfern, begann die Bautätigkeit. Iza-beg Ishakovic und Gazi Husrev-beg, nach dem die berühmteste der vielen Moscheen in Sarajevo genannt ist, bauten Brücken und Mühlen, Karawansereien und Gasthäuser (han), Moscheen und Bäder. Nach der Flucht von tausenden Juden aus Spanien Ende des 15. Jahrhunderts kam eine vierte Religion nach Sarajevo, die sephardischen Juden, die mit ihren Synagogen im Zentrum der Stadt gegenwärtig geblieben sind.

In der Altstadt werden wie früher die Erzeugnisse der Goldschmiede und der Kunsthandwerker aller Art angeboten. Am Abend pulsiert das Leben, der Abendspaziergang lockt die Schönheiten der Stadt auf die Straße, die Menschen flanieren entlang den Cafés und Restaurants, werfen einen Blick in die Bildergalerien oder bleiben ganz einfach zu einem Schwatz mit Bekannten stehen. Sarajevo ist wieder da, dutzende von Hotels sind neu erstanden. Das europäische Jerusalem“, wie sich die Stadt gerne nennen lässt, wartet wieder auf Besucher.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.