Interview Faule Kreditgeschäfte: "Fusion von Landesbanken nutzt nichts"

Die SachsenLB hat sich verspekuliert. Das ist kein Zufall. Öffentliche Banken handeln oft riskanter als private, weil sie wissen, dass sie nicht bankrottgehen, sagt die Finanzexpertin Isabel Schnabel.

Nach Millionenverluste: Die angeschlagene WestLB soll mit der Landesbank Hessen-Thüringen zusammengehen. Bild: dpa

taz: Frau Schnabel, erst verzockt sich die WestLB, dann die SachsenLB. Warum sind gerade öffentliche Banken so stark von der Finanzkrise betroffen?

ISABEL SCHNABEL, 36, ist Professorin für Finanzmarkt-Ökonomie in Mainz und arbeitet am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgüter in Bonn. Sie befasst sich vor allem mit internationalen Finanzkrisen, den Risiken und Regulierungsmöglichkeiten des internationalen Bankwesens und dem Phänomen des "too big to fail'': also von gescheiterten Banken, die zu groß und bedeutend sind, um pleitezugehen.

Isabel Schnabel: Die öffentlichen Banken haben Risiken übernommen, die private Banken nicht so leicht übernehmen würden. Eine mögliche Erklärung sind die Garantien, die der Staat für Banken wie die SachsenLB übernimmt. Im Hinterkopf wissen die Landesbanken, dass im Notfall immer der Staat eingreifen wird.

Was haben die Manager der SachsenLB falsch gemacht?

Wer sich mit komplizierten Kreditgeschäften im Ausland engagiert, muss diese Transaktionen auch verstehen. Den betroffenen Banken war wohl nicht klar, was sie da in ihre Bücher genommen haben. Gerade die SachsenLB hat in zu großem Maße in diese riskanten Kreditgeschäfte investiert und ihr Risiko dadurch schlecht verteilt. Das darf nicht passieren, und wenn es passiert, muss es eigentlich vom Markt bestraft werden.

Bei der SachsenLB werden vor allem die sächsischen Steuerzahler bestraft. Sollte der Staat die SachsenLB nicht einfach hängen lassen? Sie ist ja schließlich selbst schuld.

Das ist richtig. Das Geld, das jetzt in die Sanierung der SachsenLB fließt, kann nicht in andere wichtige Aufgaben wie Bildung und Forschung fließen. Aber die Bankrott-Option haben die Politiker wohl nicht. Weil die Gewährträgerhaftung immer noch zum großen Teil gilt, muss der Staat für die Verluste einstehen.

Auch die IKB-Bank stand im Sommer vor der Pleite und wurde mit Staatsgeld gerettet. Aber anders als die Landesbanken war die privat.

Da wäre ein Scheitern tatsächlich möglich gewesen. Aber die Lage war sehr angespannt, der Zusammenbruch hätte das ganze Bankwesen in die Krise stürzen können. Diese Krise ist neuartig und darum sehr schwer zu beurteilen. Die Kosten für die Gesellschaft wären womöglich noch weit höher gewesen als die Kosten einer Rettungsaktion.

Wann soll man eine Bank denn retten und wann nicht?

Grundsätzlich sollte der Staat sich zurückhalten und nicht in jedem Fall die Risiken abdecken. Das führt nämlich dazu, dass die Banken nicht mehr über die Risiken nachdenken, die sie eingehen. Natürlich kann es Situationen geben, in denen der Staat eingreifen muss, je nachdem, wie wichtig die Bank ist und wie angespannt die wirtschaftliche Lage. Aber das sollte auf ein Minimum beschränkt bleiben. Das Problem ist aber häufig, dass der Staat nicht glaubwürdig ankündigen kann, Banken in einer Krise nicht zu retten. Das gilt für große Banken, auch wenn sie privat sind. Auch die können also davon ausgehen, dass die Politiker sie nie scheitern lassen würden. Der Schaden wäre einfach zu groß: also "too big to fail".

Würden Sie die SachsenLB retten, wenn sie privat wäre?

Mir bliebe vielleicht nichts anderes übrig. Schließlich befinden wir uns erstmals seit der Weltwirtschaftskrise in den 20er- und 30er-Jahren wieder in einer Situation, wo zumindest die Gefahr einer großen Krise im Raum steht. Wir haben noch Glück, dass die Konjunktur gut läuft. Wäre die Kreditkrise in einer Rezession aufgetreten, wären die Folgen dramatischer. Aber mal schauen: Die US-Kreditkrise wird uns noch ein paar Jahre beschäftigen.

Gab es bei der SachsenLB zu viel oder zu wenig politische Kontrolle?

Es ist illusorisch, dass Politiker die öffentlichen Banken wirklich kontrollieren können. Die Banken selbst tun sich schwer, die Geschäfte zu verstehen. Wie soll ein Politiker im Verwaltungsrat das verstehen? Dafür muss man hochspezialisiert sein.

Muss die Aufsicht wieder schärfer werden?

Die Aufsicht ist sehr detailliert. Eine noch engere und detailliertere Regulierung wäre kaum möglich. Die Aufsichtsbehörden müssen hochqualifizierte Leute einstellen. Die müssen sie auch sehr gut bezahlen, denn Fachleute sind knapp. Ansonsten haben die Aufsichtsbehörden keine Chance mehr.

Jetzt soll die baden-württembergische Landesbank LBBW die SachsenLB übernehmen. Auch die WestLB dürfte bald fusionieren. Sind größere Landesbanken die richtige Therapie?

Nein, im Gegenteil. Die Landesbanken müssen nicht größer werden, sondern kleiner. Wir brauchen grundlegende Veränderungen im deutschen Bankenwesen. Wenn öffentliche Banken Geschäfte machen, die auch Privatbanken genauso gut oder besser können, dann sollte sich der Staat zurückziehen. Am ehesten sehe ich noch eine Rolle für die Sparkassen. Bei den Landesbanken ist der Mehrwert schwerer zu erkennen. Die betreiben in großem Umfang die gleichen Geschäfte wie Privatbanken, nur oft noch riskanter und schlechter. Warum sollte eine öffentliche Bank in großem Umfang faule US-Kredite in Irland kaufen?

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