Volkspartei ohne führenden Innenpolitiker: Die SPD sucht den Anti-Schäuble

Auf der Innenministerkonferenz zeigt sich: Der SPD fehlt ein profilierter Innenpolitiker, ein Anti-Schäuble. Hoffnungsträger entpuppen sich als Ausfälle - oder werden kaltgestellt.

Einst als Hoffnungsträger gehandelt: Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein Bild: dpa

Es geht um Bomben und rechte Schläger. Und um die Zukunft der SPD. Die Innenminister der Länder reden auf ihrer Herbstkonferenz seit Donnerstag darüber, wie man rechtsextremen Stiftungen öffentliches Geld verwehrt und islamistischen Terror bekämpft. Für die SPD ist das Treffen aber auch eine der letzten Chancen, endlich jemanden zu präsentieren, der dem prominenten Innenminister der Union Paroli bieten kann. Die SPD braucht einen Anti-Schäuble.

Und ihr läuft die Zeit davon. Knapp zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl haben die Sozialdemokraten niemanden aufgebaut, der den Wählern die eigene Innenpolitik erklären kann. Zu Zeiten der rot-grünen Koalition war die Paarung klar: Otto Schily gab den sozialdemokratischen Hardliner. Sein Gegenspieler Günther Beckstein, CSU-Innenminister in Bayern, gab sich immer noch ein wenig härter. Beide waren bekannt, beide bewegten sich auf Augenhöhe. Doch nach Schily hatte die SPD niemanden mehr.

Einige Innenminister haben versucht, die Beckstein-Rolle zu übernehmen. Sie scheiterten kläglich. Einst wurde Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein als großer Hoffnungsträger gehandelt. Der stichelte aber so lange gegen den Koalitionspartner CDU, bis er die Regierung verlassen musste. In Rheinland-Pfalz machte sich daraufhin Karl Peter Bruch warm. Doch kaum hatte der ein paar Interviews zur Online-Durchsuchung gegeben, holte ihn eine Korruptionsaffäre ein. Für ein vierminütiges Werbefilmchen hatte sein Ministerium im Herbst 2006 stolze 180.000 Euro bezahlt, und zwar an die Firma von Bruchs künftigem Schwiegersohn.

Nun soll es Berlins Innensenator Ehrhart Körting versuchen. Bisher läuft es ganz gut für ihn: Mit seinen Forderungen nach einem NPD-Verbot kommt er oft in die Medien. Sein Vorschlag, rechtsextremen Stiftungen Staatsgelder zu verweigern, wird auf der Innenministerkonferenz ernsthaft diskutiert. Aber eines ist klar: Berlin ist ein kleines, armes Land mit wenigen Stimmen im Bundesrat. Körting kann nur schwer ein zweiter Beckstein werden.

In der Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten sieht es leider nicht besser aus. Schuld ist die SPD selbst: "Es gibt keinen Gegen-Schäuble, weil wir das nicht haben wollten. Nicht im Präsidium und nicht in der Fraktionsspitze", klagt ein SPD-Parlamentarier. Und nennt gleich noch den Verantwortlichen: "Peter Struck nimmt die Innenpolitik nicht ernst genug." Gemeint ist der Fraktionschef.

Für Innen- und Rechtspolitik ist in der Fraktionsspitze seit der letzten Bundestagswahl Fritz-Rudolf Körper zuständig. In der Öffentlichkeit merkt das bloß keiner. "Körper ist ein Totalausfall", heißt es in der Fraktionsspitze. Ähnlich äußert sich mancher Genosse über den Vorsitzenden des Innenausschusses, Sebastian Edathy. Und auch der Mann, der offiziell eigentlich die innenpolitische Linie der Partei vertreten soll, hat in der Partei wenig zu sagen: Der innenpolitische Sprecher Dieter Wiefelspütz gehört nicht zu den Lieblingen von Peter Struck. Ihm wurde sogar schon verboten, seine Meinung zu Online-Durchsuchungen öffentlich zu sagen.

Zunehmend genervt reagiert der Koalitionspartner auf das Chaos: "Auf nichts kann man sich bei denen mehr verlassen", schimpft ein Innenpolitiker der Unionsparteien. "Was man heute vereinbart, ist morgen schon wieder Makulatur." Und auch die Opposition mosert: "Eigentlich ist es Aufgabe der SPD, in dieser Koalition die Bürgerrechte zu stärken", sagt FDP-Innenexperte Max Stadler. In ihrer derzeitigen Verfassung seien die Sozialdemokraten dazu aber oft gar nicht in der Lage.

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