Fußball-Bundesliga: Wolfsburg denkt an Lehmann

Stammkeeper Simon Jentzsch wurde jüngst degradiert - jetzt wäre Platz für Nationaltorhüter Jens Lehmann. Nur ein Gerücht? Warum VW von diesem Wechsel profitieren würde.

Fristet derzeit ein Reservistendasein: Arsenal-Keeper Jens Lehmann Bild: dpa

Der VfL Wolfsburg ist laut einer Umfrage jetzt das zweitunbeliebteste Team in der Fußball-Bundesliga. Das ist sicher als Fortschritt zu werten und als Zeichen, dass es voran geht. So richtig im Focus jener Öffentlichkeit, die sich für die Unterhaltungsindustrie Fußball interessiert, war der VfL in der Regel auch nicht. Aber auch das hat sich etwas geändert, seit Felix Magath Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer beim VfL ist. Seither ist was los. Am Wochenende hat Magath seinen langjährigen Stammkeeper Simon Jentzsch beim 2:2 gegen Eintracht Frankfurt zur Halbzeit wegen mangelhafter Leistung ausgetauscht. Das macht kein Trainer. Außer Magath. Alle Zeitungen waren voll davon.

Nun steht die Frage im Raum, ob Wolfsburg nicht den ganz großen Coup landen wird, und den beim Premier-League-Spitzenreiter Arsenal auf der Bank sitzenden Nationaltorhüter Jens Lehmann holt. Das wäre auch im Sinne der Fußballnation, denn es würde Lehmann die Spielpraxis geben, die ein Torhüter für eine erfolgreiche Europameisterschaft sehr wahrscheinlich braucht. Nicht gegen Österreich, aber es gibt ja auch noch ein paar andere Gegner.

Dass Magath bereits länger über einen neuen Keeper nachdenkt, gilt in Wolfsburg als sicher. Seit er im Sommer überraschend als eine Art Gottvater, Sohn und Heiliger Geist bei der Volkswagen-Tochter VfL Fußball GmbH eingestiegen ist, hat der Klub 30 Millionen Euro investieren dürfen und einige interessante Profis geholt (Josue, Costa, Dzeko, Dejagah, Grafite). Die Zwischenbilanz ist allerdings mäßig: 17 Punkte und vier Siege aus 15 Spielen. Weniger hatte der VfL in elf Jahren Bundesliga nicht. Doch Magath sieht sich erst am Anfang und den üblichen Mechanismen entzogen, da er direkt von VW-Konzernchef Martin Winterkorn gescoutet, verpflichtet und mit der absoluten Macht versehen wurde.

Mit dem langjährigen Stammkeeper Jentzsch, 31, war Magath schon länger nicht zufrieden Jentzsch habe "nicht die beste Vorrunde gespielt", sagt Magath: "Da braucht man nicht drumrumzureden." Simon Jentzsch war 2003 von 1860 München nach Wolfsburg gekommen, war fast immer unumstritten und galt als Eckpfeiler des Teams. Kurz bevor Magath kam, wurde sein Vertrag bis 2011 verlängert.

Dass man beim VfL tatsächlich Lehmann zu holen gedenkt, hat bisher keiner bestätigt. Zwar ist Lehmann unbestritten ein Spitzentorhüter, aber er ist auch 38 und verursacht hohe Personalkosten. Sein Jahresgehalt wird auf etwa 3,5 Millionen Euro geschätzt. Spitzenverdiener in Wolfsburg dürften auf 1,5 bis 1,8 Millionen kommen. Das brächte die Balance gehörig durcheinander.

Aber vielleicht sollte man in diesem Fall auch den Wert einkalkulieren, den eine Verpflichtung Lehmanns für das VW-Image bietet. Der Konzern hat eine schwere Zeit hinter sich mit Entlassungen, fallenden Erlösen und einem Imagedesaster namens "VW-Affäre". Das meint eine breitflächige Inanspruchnahme von Prostituierten-Dienstleistungen auf Konzernkosten von VW-Arbeitnehmervertretern, VW-Managern und Politikern. Längst macht VW zwar wieder enorme Gewinne (947 Millionen Euro nach Steuern im III. Quartal 2007), doch vor deutschen Gerichten wird immer noch wegen des Vorwurfs der "Lustreisen" auf Konzernkosten verhandelt, u.a. gegen einen Geschäftsführer des VfL. So richtig imagefördernd ist das nicht.

Allemal schöner zu kommunizieren wäre es, wenn Deutschland bei der EM mit einer Nr. 1 antreten würde, den VW zum Wohl des Vaterlandes von der Strafbank geholt hat. Auch wenn er dann ein DFB-Trikot mit einem Mercedes-Stern trägt. Bei der WM hatte man zwar mit Mike Hanke auch einen Repräsentanten, aber das kriegte praktisch keiner mit. Die Wolfsburger Nachrichten zitieren VW-Chef Winterkorn mit dem Satz: "Lehmann beim VfL ist denkbar." Und: "Wir müssen uns Gedanken machen, Torwart ist eine entscheidende Position."

Ob Lehmann tatsächlich nach Wolfsburg ginge, ist eine zweite Frage. Zum einen hat er immer wieder erklärt, er zweifle, ob es Sinn mache, seine Kinder von ihrer Londoner Schule zu nehmen. Zum anderen haben Lehmann und Magath sich vor und nach der WM 2006 etwas gekabbelt, als der damalige Bayern-Trainer klar Partei für Lehmanns Vorgänger Oliver Kahn ergriffen hatte. Möglicherweise erschließt sich einem aber auch jetzt erst ein Satz, der vor einigen Wochen für Aufsehen gesorgt hatte. Damals hatte Lehmann gesagt, dass bei einem Wechsel "vielleicht auch die Zweite Liga" in Frage käme. Vielleicht war das ja metaphorisch gesprochen und letztlich der VfL Wolfsburg gemeint.

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