Britische Medien: Horte der Weißheit

In britischen Medien wird viel über die Bedeutung von ethnischer Vielfalt berichtet - doch in den Redaktionen arbeiten kaum Migranten. Die Zeitung "Guardian" will das ändern.

Migranten in Großbritannien: Leser, aber selten Autoren. Bild: dpa

Vor zwei Jahren hat der Guardian Saira Khan eingeladen, die durch die Reality-TV-Show "The Apprentice" bekannt geworden ist. Die in Derbyshire geborene Muslima mit pakistanischen Eltern machte die Redaktionskonferenz mit einer einfachen Frage sprachlos: "Warum sehe ich hier nur weiße Gesichter?"

Die Reaktion: rote Bäckchen allerseits. "Und wer von Ihnen war auf den Universitäten Oxford oder Cambridge?", feuerte Khan gleich die nächste Salve ab. Zwei Drittel der Anwesenden hoben sichtbar widerwillig die blassen Hände. Es war das Zugeständnis, dass wir als Großbritanniens politisch korrekteste Zeitung ein Problem haben - ein schmerzhafter Wake-Up-Call.

In der britischen Medienindustrie wurde jahrelang über die Bedeutung von Vielfalt berichtet, über Migranten, ethnische Minderheiten, Behinderte und andere "unterrepräsentierte Gruppen" - allerdings meistens mit dem Blick von außen. Es gab zwar einige einflussreiche Kolumnisten, deren braune oder schwarze Gesichter regelmäßig aus den Zeitungen schauten. Und es gab Trevor McDonald: den damals einzigen nicht-weißen Nachrichtenmoderator im britischen Fernsehen, seit 1973 Aushängeschild des Privatsenders ITV. Doch Medien, die die Bevölkerungsstruktur des Einwanderungslandes Großbritannien abbilden, gab es nicht - und gibt es bis heute nicht.

Beim Guardian stammen neun Prozent der Angestellten aus einer ethnischen Minderheit, 44 Prozent sind Frauen - und nur ein Prozent Behinderte. Die BBC will bis Jahresende 12,5 Prozent Mitarbeiter mit Migrationshintergrund haben.

Die Bemühungen um kulturelle Vielfalt führen beim Guardian dazu, dass man ohne Migrationshintergrund kaum eine Chance hat, einen Platz im begehrten einjährigen Trainee-Programm zu bekommen. Daneben gibt es noch ein eigenes Praktikumsprogramm für Abiturienten und Studierende aus Einwandererfamilien. Die Zeitung arbeitet auch mit einer auf die Vermittlung von Jobsuchenden aus Minderheiten spezialisierten Personalagentur zusammen. Im Oktober fand außerdem eine erste "Vielfaltswoche" mit Debatten und Vorträgen statt.

Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger ist immer noch unzufrieden. "Es wird immer klarer, dass wir zu langsam sind, wenn es um Einstellung und Beförderung von Journalisten mit vielfältigen Hintergründen geht", schrieb er in einer E-Mail an seine Mitarbeiter. Fur Rusbridger ist Vielfalt nicht nur bei der Zeitung selbst, sondern auch in ihrer Berichterstattung wichtig: "Wir sollten uns regelmäßig Zeit nehmen, uns zu überlegen, wie nicht-weiße Leser die Berichterstattung des Guardian wahrnehmen." Schließlich sei dies "redaktionell wie auch kommerziell wichtig in einem Land, in dem über acht Prozent der Bevölkerung aus einer ethnischen Minderheit kommen".

Aber selbst wenn es Journalisten aus einer ethnischen Minderheit in die Medien schaffen, bleiben sie häufig auf eine bestimmte Rolle festgelegt. Eine der wenigen schwarzen Guardian-Redakteurinnen hat zum Beispiel lange die Schönheitskolumne "The New Black" geschrieben.

Mit thematischen Festlegungen hat Riazat Butt kein Problem. Vor ein paar Monaten ist die Muslima, Tochter pakistanischer Einwanderer, zur Religionsspezialistin des Guardian befördert worden und macht alle zwei Wochen den Podcast "Islamophonic": "Wenn ich gebeten werde, muslimisches Zeugs zu machen, macht das Sinn, weil ich Verständis für diese Bevölkerungsgruppe habe. Ich finde es besser, auf eine bestimmte Rolle festgelegt zu sein, als dass ein anderer diese Themen verpfuscht."

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