Einig bei ALG I, ansonsten zerstritten: SPD wirft Union Verweigerung vor

Die Koalitionsrunde konnte sich weder auf einen Post-Mindestlohn noch auf die Bahnprivatisierung einigen. SPD wirft Union Einknicken vor Lobbyisten vor. Union sieht Treffen dagegen positiv.

Fanden die Koalitionsrunde gut: Unionsspitzen Huber und Kauder Bild: dpa

BERLIN ap/dpa/taz Die Stimmung in der Koalition bleibt weiter angespannt. Auch bei der jüngsten Spitzenrunde am Montag Abend im Kanzleramt konnte wieder nur ein kleiner Teil der Probleme abgearbeitet werden. So haben sich Union und SPD auf geringere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und eine längere Zahlung von Arbeitslosengeld für über 50-Jährige verständigt. In weiter Ferne bleiben dagegen ein Mindestlohn für Postangestellte und eine Einigung über die geplante Privatisierung der Bahn.

Während in der Nacht SPD-Chef Beck die Einigung zum Arbeitslosengeld (siehe Kasten) als "großen Erfolg" feierte und CSU-Chef Erwin Huber sich später freute, ab Januar hätten alle Beschäftigten nun "mehr Netto vom Brutto", ging unterbrechenslos der Kampf um die Deutung des Rests der Sitzung los.

Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll nach dem Willen der großen Koalition ab Januar 2008 auf 3,3 Prozent vom Bruttolohn sinken. Zurzeit sind es 4,2 Prozent. Ein Durchschnittsverdiener soll so nach Unionsangaben um rund 400 Euro entlastet werden.

Das Arbeitslosengeld I sollen über 50-Jährige schon bald 15 Monate lang erhalten. Ab einem Alter von 55 Jahren soll eineinhalb und ab 58 Jahren zwei Jahre lang gezahlt werden. Mit der Hartz-Reform war die Höchstdauer pauschal auf ein Jahr gesenkt worden, nur für über 55-Jährige gab es bisher schon eineinhalb Jahre lang Arbeitslosengeld. Das Gesetz solle so schnell wie möglich in Kraft treten, hieß es in der Koalition.

Die Runde verständigte sich nach Angaben von Beck zusätzlich darauf, für Empfänger von Arbeitslosengeld II eine Milliarde Euro extra zur Verfügung zu stellen. Damit sollten die Anstrengungen intensiviert werden, Hartz-IV-Empfänger schneller wieder in Beschäftigung zu bringen. Zudem werde man 200 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt aufbringen, um Kinder aus sozial schwachen Familien besser zu unterstützen. Keine Einigung gab es im Streit um eine Schutzklausel für ältere Langzeitarbeitslose, denen vom 1. Januar 2008 an die "Zwangsverrentung" bevorsteht.

Die SPD entschied sich für den Angriff: Über die Vorschläge der Union zum Mindestlohn sei er "geradezu perplex" gewesen, sagte Beck. Er sei davon ausgegangen, dass nur noch Ausgestaltungsfragen zu klären seien. Offenbar sei aber der Druck einer Interessenlobby so groß gewesen, dass die Union nicht standgehalten habe.

"Es sind uns Angebote gemacht worden", führ Beck fort, "die wir schlicht als unglaublich einstufen mussten". So habe die Union einen branchenspezifischen Mindestlohn von 8 Euro pro Stunde vorgeschlagen. Damit wäre aber der bereits vereinbarte Tarifvertrag unterlaufen worden. Die Stimmung in der Koalition sei "heute sicher nicht besser geworden".

SPD-Fraktionschef Peter Struck setzte noch einen drauf: "Die Weigerung der Kanzlerin ist ein höchst unerfreulicher Vorgang." Selbst der Vizekanzler Franz Müntefering schloss sich der Schelte im Deutschlandfunk an: Die Union mache Lobbypolitik und halte sich nicht an Zusagen, erklärte er. Nach Einschätzung der SPD werde es nun vorerst keinen Mindestlohn bei der Post geben. Das Briefmonopol solle trotzdem wie geplant zum 1. Januar 2008 fallen.

Die Union konzentrierte sich eher aufs Positive. "Das Ergebnis kann sich sehen lassen. In dem schwierigen Bereich Arbeitslosengeld hat die Koalition Handlungsfähigkeit beweisen", sagte Huber im Bayerischen Rundfunk. Zur geplanten Bahn-Privatisierung, erklärte Kauder, beide Seiten seien sich einig, dass es eine Teilprivatisierung geben solle und zugleich die Infrastruktur gesichert werde. CSU-Chef Erwin Huber äußerte sich allerdings skeptisch über das von der SPD favorisierte Modell einer stimmrechtslosen Volksaktie. Die Koalitionspartner vereinbarten, dass Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee bis zum nächsten Treffen des Koalitionsausschusses am 10. Dezember einen Bericht zu den denkbaren Modellen vorlegen soll.

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