Konferenz für Internetkontrolle: Gegen den Hass

Antisemiten, Neonazis, Homophobe - sie alle können ihre Hassbotschaften übers Internet verbreiten. Das International Network Against Cyberhate zeigt, dass man durchaus dagegen vorgehen kann.

Diese Organisation ist zwar mittlerweile verboten, doch im Internet tummeln sich unzählige Hassprediger. Bild: ap

Fünf Sekunden lang wippt man mit dem Fuß im Takt der Musik mit. Fünf Sekunden. Dann mischt sich ein erstes "Sieg Heil" in den Beat. Eine Frauenstimme kündigt die Party des Jahres an: "Housewitz. Mit DJ Adolf von Bauren." Der Fuß wird starr. Tanzen macht frei, steht auf dem Gitter am Eingangstor. Auf dem Bildschirm: aufgeschichtete Leiber, darüber der Schriftzug "Gangbanging". Und wieder die Frauenstimme: "7 000 000 party people set their bodies on fire. Literally."

Suzette Bronkhorst ist überrascht, dass die Presseleute das Video nicht kennen. Die Generalsekretärin des International Network Against Cyberhate, kurz INACH, hat den Clip unzählige Male gesehen, auf den verschiedensten Websites. Vor zwei Jahren bastelte ein niederländischer Student die "Auschwitz-Satire" und verschickte sie an 25 Freunde. Nur zum Spaß, wie er sagte. Das Stück fand jedoch schnell seinen Weg auf die Webseite geenstijl.nl (siehe Link), laut Bronkhorst die meist besuchte Domain der Niederlande, die vor allem durch Schockvideos beim Publikum punktet. Seitdem taucht es immer wieder im World Wide Web auf.

Youtube sei mittlerweile sehr kooperativ, sagt Bronkhorst. Sobald man die Betreiber auf Hass schürende Inhalte hinweise, nähmen sie die Videos von der Seite. Aber es dauert keine halbe Minute, Housewitz im Internet zu finden. Ein New-Yorker-Radiomoderator listet auf seiner Seiten gar die Domains auf, die das Video durch den Druck "jüdischer Lobbyisten" entfernen mussten. "BUT I HAVE IT!", steht in roten Letten über dem Clip - einschließlich der Begründung: "Wann immer jemand will, dass der Staat der Öffentlichkeit verbietet, etwas zu sehen, gehe ich davon aus, dass es sehr gut sein muss."

Was lässt sich gegen Hass im Internet unternehmen? Darüber diskutieren derzeit Politiker und Aktivisten in der Neuen Synagoge in Berlin. Unter dem Motto "Hate on the Net - Promoting tolerance by means of (media) education" lädt INACH zur jährlichen Konferenz. Das Network besteht bereits seit fünf Jahren auf Initiative von Jugendschutz.net und der holländischen Magenta Stiftung. Mittlerweile arbeiten antirassistische Hotlines aus 15 Nationen bei INACH daran, ein internationales Netzwerk gegen "Cyberhate", Hass im Netz, zu etablieren. Denn: Das Internet öffnet auch rechtem Gedankengut neue Wege. Antisemiten, Neonazis, Homophobe – sie alle nutzen die Möglichkeiten der weitgehend unzensierten Informationsverbreitung, um ihre Botschaften direkt nach Hause zu transportieren und Mitglieder zu rekrutieren. Vor allem in den letzten zwei Jahren habe Cyberhate durch Web 2.0, social networking und Seiten wie myspace, youtube oder facebook enorm zugelegt, sagt der US-Anwalt Chris Wolf, seit 2005 Präsident von INACH.

Dabei sind es meist gar nicht die offensichtlich rechtsradikalen Seiten, die Jugendliche anziehen. Hakenkreuze oder das explizite Leugnen des Holocausts, würden abschrecken, sagt Stefan Glaser, stellvertretender Leiter von Jugendschutz.net. Vielmehr seien es geschichtsklitternde Thesen wie "Wir haben mit dem Krieg doch nicht angefangen" und rechte Musik, die den Hass wie nebenbei verbreiten.

Oberstes Ziel des Netzwerks INACH ist es, Cyberhate aus dem Internet zu entfernen. Dabei bekommt Glaser jedoch immer wieder zu hören, Verbote seien sinnlos, die Hassprediger würden einfach ins Ausland abwandern. Tatsächlich gelänge es INACH aber in 80 Prozent der Fälle, die Inhalte aus dem Netz zu nehmen, so Glaser. Selbst gegen explizit rechtsradikale Provider gäbe es Mittel und Wege. So habe man beispielsweise dem Anti-Antifa-Network mit Sitz in Argentinien die Plattform entzogen, indem man sich nicht an sie selbst, sondern an die Agentur, bei der sie ihren Speicherplatz angemeldet hatten, wandte. Die hatte in ihren AGBs einen Passus, der die Verbreitung rechtsradikaler Inhalte verbietet.

Dennoch wisse man, so Bronkhorst, dass man nicht alle Seiten des World Wide Webs scannen könne. Daher setzt die Inititaive auf medienpädagogische Maßnahmen, die Jugendliche und Kinder gegen Hass sensibilisieren soll. "Wir bringen ihnen bei, wie sie das Internet auch positiv nutzen können", sagt Glaser. "Es gibt auch Seiten, die das ABC der Holocaust-Leugner mundgerecht aufbereiten." Es sei entscheidend, die Jugendlichen ernst zu nehmen und mit ihnen rechtsextreme Parolen auseinander zu nehmen. In Deutschland wird diese Arbeit seit sechs Jahren von der Bundeszentrale für Bildung gefördert. In Osteuropa, so Bronkhorst, fehle jedoch der politische Wille und damit die finanziellen Mittel, um überhaupt ein Beschwerdebüro aufrecht zu erhalten - anders als in Deutschland und den Niederlanden, wo der Kampf gegen Hass im Internet vom Staat unterstützt wird.

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