Kommentar Georgien: Gescheiterter Demokratieversuch

Den Einsatz von Gewalt und die Verhängung des Notstands werden die Georgier Präsident Saakaschwili nicht verzeihen. Doch die Opposition ist keine Alternative zu ihm.

Einst war Michail Saakaschwili Georgiens Hoffnungsträger. Und nun drohen ihn die gleichen Massen, die ihn in einer friedlichen Revolution ins Amt beförderten, jetzt wieder zu verjagen. Der georgische Präsident brachte dem Land Verbesserungen, doch beging er viele derselben Fehler, über die sein Vorgänger Schewardnadse vor vier Jahren stürzte: Amtsmissbrauch, Korruption und Selbstherrlichkeit. Im Unterschied zum Vorgänger hat sich Saakaschwili indes mehr zu schulden kommen lassen. Den Einsatz von Gewalt und die Verhängung des Ausnahmezustands werden ihm die Georgier nicht verzeihen. Auch wenn sich die Situation wieder beruhigen sollte, Saakaschwili hat im eigenen Volk die Glaubwürdigkeit verloren. Und im Westen dürfte der "Leuchtturm der Demokratie" wie ihn US-Präsident Bush einst nannte, nun auch nicht mehr leuchten.

Das wäre nicht nötig gewesen, wenn die alarmierenden Signale über die autoritäre Entwicklung in dem Kaukasusflecken von den westlichen "Schutzmächten", allen voran den USA, ernst genommen worden wären. Die schleichende Entmachtung der Legislative, die Gleichschaltung der Justiz, kurzum, die Missachtung der Gewaltenteilung, sind seit drei Jahren bekannt. Man hätte Saakaschwili auf die Finger klopfen können, zumal Georgiens Haushalt erhebliche finanzielle Zuwendungen erhält. Dennoch überwogen geopolitische Erwägungen den Umgang mit "Mischa, dem Heißsporn", der den Russen bei jeder Gelegenheit die Stirn bot. Nicht ohne Grund, nur erhob der Präsident dies zu einem Politikersatz und einer Garantie, im Innern schalten und walten zu können, wie es ihm beliebte.

Tragisch ist, dass die Opposition zwar vorübergehend die Straße beherrscht. Doch sie verfügt über keine charismatischen Köpfe, die das Ruder übernehmen könnten. Fällt Saakaschwili, wird auch die Opposition sich heillos zerstreiten. Der Exverteidigungsminister Irakli Okruaschwili, der den Protest ins Rollen brachte und sich als Nachfolger empfiehlt, wäre eine noch größere Katastrophe für den Kaukasusstaat. Er ist nämlich nicht nur ein Heißsporn, sondern jemand, der auch scharf schießt.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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