Kommentar Bahnprivatisierung: Lehrstück in Demokratie

Obwohl die Bahnprivatisierung schon als beschlossene Sache galt, haben die Gegner die Stimmung gedreht - und letztlich mächtige Gegner wie SPD-Spitze in die Knie gezwungen.

Noch ist offen, ob der SPD-Beschluss vom Wochenende tatsächlich schon den "Sargnagel" für die Bahn-Privatisierung darstellt. Zwar deutet vieles darauf hin, dass die zwingende SPD-Forderung nach Volksaktien eine Einigung mit der Union unmöglich macht. Denn diese lehnt solche Aktien ohne Stimmrecht, mit denen der Einfluss von Investoren auf die Bahnpolitik verhindert werden soll, bisher strikt ab.

Ausgeschlossen ist ein Kompromiss dennoch nicht. Denn der Parteitag hat - trotz entsprechender Stimmung unter den Delegierten - eben keinen Beschluss gegen die Privatisierung gefasst. Er hat dieser zugestimmt - wenn auch unter scharfen Bedingungen. Das allein ist schon ein großer Erfolg der PrivatisierungsgegnerInnen.

Noch vor einem Jahr erschien der Börsengang der Bahn als beschlossene Sache und jeder Protest sinnlos. Bahnchef-Mehdorn und seine treuen Vasallen der Gewerkschaft Transnet drückten ihr Konzept durch und sicherten sich die Unterstützung der Führungsspitzen von Union und SPD. Weil das Projekt weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurde, spielte die Meinung der Bevölkerung keine Rolle. Auch die meisten Medien interessierten sich lange Zeit nur für finanzielle Details - nicht aber für die Frage, warum die Bahn überhaupt privatisiert werden sollte.

Was dann folgte, war ein Lehrstück in Sachen Demokratie. Mit Engagement, Fachwissen und Beharrlichkeit hat ein Bündnis aus Verkehrsexperten, Umweltaktivisten, Gewerkschaftslinken und Globalisierungskritikern innerhalb kurzer Zeit die Stimmung gedreht - und damit letztlich auch die Mehrheiten im DGB und in der SPD. Dass die Parteiführung der SPD dem Druck der Basis in weiten Teilen nachgeben musste, zeigt zudem, dass die innerparteiliche Demokratie tatsächlich funktionieren kann.

Nun sollte das neue öffentliche Interesse an der Bahn genutzt werden. Nicht nur, um eine immer noch mögliche Privatisierung durch die Hintertür zu verhindern, sondern auch, um eine leistungsfähige Bahn zu bekommen, die sich auf ihre Kernaufgaben konzentriert. Eine bürgernahe Bahn, deren Finanzierung auch ohne Investoren auf Dauer gesichert ist.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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