Uigurische Menschenrechtlerin gegen China: "Für einen Olympia-Boykott"

Die Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer wirft China vor, die Kultur der Uiguren zerstören zu wollen. Hunderttausende Mädchen würden aus Uigurien zwangsumgesiedelt.

"Staatsfeind Nr. 1" nennt sie sich - den Dialog mit Peking sucht Kadeer vergeblich. Bild: dpa

BERLIN taz "Die Regierung in Peking will unsere Sprache, Schrift und Kultur zerstören", klagt die uigurische Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer. Die Präsidentin des in München ansässigen Weltkongresses der Uiguren (WUC) hat kürzlich in Berlin auf die Unterdrückung der muslimischen turkstämmigen Bevölkerung in Chinas Nordwestprovinz Xinjiang aufmerksam gemacht. Die im Exil in der Nähe Washingtons lebende Menschenrechtlerin bezeichnet sich in ihrer Autobiografie selbst als "Chinas Staatsfeindin Nr. 1".

"Allein aus der Region Kaschgar sind im vergangenen Jahr 240.000 Mädchen im Alter von 14 bis 24 Jahren zwangsweise in Chinas Ostprovinzen transferiert worden", sagt Kadeer der taz. Proteste von Uiguren gegen den staatlichen Mädchenraub würden unterdrückt.

Offiziell werde die Umsiedlung damit begründet, dass die Frauen Jobs bekämen. Doch in Wirklichkeit gehe es darum, die acht Millionen Uiguren weiter zu marginalisieren und außerhalb Xinjiangs zu zwangsassimilieren, sagt Kadeer mit fester Stimme. Zudem würden die jungen Uigurinnen oft zur Prostitution gezwungen oder zu Billigstlöhnen ausgebeutet.

China annektierte das von den Uiguren Ostturkestan genannte Gebiet 1949. Seit langem werden dort gezielt Han-Chinesen angesiedelt. Deren Bevölkerungsanteil stieg laut Kadeer von damals 2 auf heute 65 Prozent. Noch immer kämen täglich 7.000 Han-Chinesen.

Die 59-jährige Kadeer hat ihre eigenen Erfahrungen mit Peking. Zunächst wurde die erfolgreiche Geschäftsfrau und Mutter von neun Kindern von der Führung hofiert. Die Besitzerin von zwei Kaufhäusern in Ürümqi wurde sogar in den Nationalen Volkskongress berufen. Als sie jedoch später die Politik in der offiziell als autonom bezeichneten Region Xinjiang kritisierte, fiel sie in Ungnade.

Weil sie ihrem im Exil in den USA lebenden Mann Material über Menschenrechtsverletzungen schickte und sich mit einer Delegation des US-Kongresses treffen wollte, wurde sie 1999 verhaftet und wegen "Verrats von Staatsgeheimnissen" zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. 2005 wurde sie in die USA ausgewiesen. Von dort kritisiert sie China weiter, weshalb zwei ihrer in der Heimat verbliebenen Söhne verhaftet und inzwischen zu sieben und neun Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Kadeer war trotz heftiger Proteste Pekings bereits dreimal für den Friedensnobelpreis nominiert. Zwar erhielt sie die renommierte Auszeichnung nicht, aber bereits 2004 den norwegischen Thorolf-Rafto-Gedenkpreis für Menschenrechte.

Auf die Frage, ob sie für die Unabhängigkeit Ostturkestans kämpft, sagt Kadeer, diese Frage sollten die Uiguren selbst entscheiden. Sie wolle die Selbstbestimmung ihres Volkes. "Der Dalai Lama hat gesagt, dass er mit einer Autonomie Tibets einverstanden ist. Trotzdem werden die Tibeter weiter unterdrückt, und er wird weiter von Peking als Feind betrachtet. Deshalb kämpfe ich nicht für Autonomie oder Unabhängigkeit, sondern für die Menschenrechte der Uiguren", sagt Kadeer. "Trotz unserer Dialogbemühungen bezeichnet uns Peking als Separatisten und Terroristen. Dabei stehen wir Uiguren selbst vor der Auslöschung." Sie fordert größeren internationalen Druck auf China und wertet die Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an Peking als Fehler. "Ich bin für einen Boykott der Spiele."

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