Kommentar Bin Laden-Video: Trittbrettfahrer des Terrors

Bin Ladens Videobotschaft demonstriert, dass die Dschihadisten-Szene sich schon lange von ihm emanzipiert hat. Er selbst wirkt eher wie ein Kommentator denn wie ein Aggressor.

Jetzt hat er sich mal wieder zu Wort gemeldet: Bin Laden, der Pate des islamistischen Terrors, hat in seiner jüngsten Videobotschaft seine Mannen im Irak kritisiert und Anschläge auf der Arabischen Halbinsel sowie gegen die UN-Friedenstruppen in Darfur angekündigt. Neu daran ist nur die Kritik an Al-Qaida im Irak. Und neu ist auch der Ärger der militanten Islamisten darüber, dass der Fernsehsender Al-Dschasira ganz allein diese Passage ausgestrahlt hat. Aus gutem Grund, hatte der Rest doch kaum Nachrichtenwert: zu oft waren vergleichbare Drohungen bereits zuvor zu hören.

In den letzten Jahren sind Bin Laden und sein Stellvertreter Aiman Zawhairi immer mehr zu politischen Kommentatoren von Ereignisse herabgesunken, auf die sie imer weniger Einfluß haben. Fast scheint es, als hätten sie Angst, ins Hintertreffen zu geraten angesichts einer Hisbollah, die einen Krieg gegen Israel gewinnt oder einer Hamas, die in nur einer Woche den Gazastreifen erobert. "Wir sind auch noch da", lautet denn auch die wichtigste Botschaft solcher Videobotschaften.

Dem Terrorjäger George Bush wird damit, sechs Jahre nach dem 11. September, immer noch die lange Nase zu gezeigt. Das heißt aber nicht, dass die freischwebenden Gruppierungen, die seither aus Al-Qaida hervor gegangen sind, nicht immer noch brandgefährlich wären. So spielen Bin Ladens Botschaften in der arabischen Öffentlichkeit zwar keine große Rolle mehr, da selbst die großen arabischen Fernsehsender und Zeitungen immer weniger Interesse zeigen. In militanten Kreisen, vor allem im Internet, werden sie aber heiß debattiert.

Bin Laden selbst wirkt aber nur noch wie ein Trittbrettfahrer der militanten Dschidadisten-Szene. Denn auf die Konflikte, in denen er sich einzuschalten droht, hat er keinen Einfluß; und weder der irakische noch der palästinensisch- israelische oder der Konflikt in Darfur gehen auf Al-Qaida zurück. Dort neue Gewalt anzukündigen, wie Bin Laden es tut - das klingt fast so, als würde Bin Laden damit drohen, dass im Land der

Ungläubigen demnächst das Laub von den Bäumen fallen werde. Mit Gottes und Al-Qaidas Hilfe.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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