US-Anti-Atom-Bewegung erstarkt: Das Monster lebt

Die Atomenergie feiert in den USA Wiederauferstehung - und mit ihr die "Anti-Nuke-Bewegung". Musiker und Künstler reanimieren ihre Protestbewegung von vor 30 Jahren.

Ale "grenzenlose Quelle sauberer Energie" fördert die Bush-Administration die Atomkraft. Bild: dpa

"Wir dachten vor 30 Jahren, das Monster sei tot," sagte Graham Nash. "Jetzt hebt es wieder sein häßliches Haupt." Nash, Musiker und vor drei Jahrzehnten prominenter Aktivist der us-amerikanischen Anti-Atom-Bewegung, versammelte sich am Dienstag gemeinsam mit anderen ehemaligen Bewegten vor dem US-Kapitol in Washington. Sie wollen die US-Abgeordneten darüber aufklären, dass ein Senatsentwurf des neuen US-Energiegesetztes im Kleingedruckten Kreditgarantien für die Nuklearindustrie enthält. Das könnte ein "Blankoscheck der Steuerzahlenden zum Bau neuer Atomkraftwerke" sein, warnen Nash und seine Mitstreitenden.

Der Entwurf für das neue Energiegesetz klinge ansonsten ganz vernünftig, denn auch die Förderung erneuerbarer Energien und höhere Standards für Energieeffizienswerte seien darin enthalten. Nash hat zusammen mit den Musikern Bonnie Raitt und Jackson Browne, mit denen er zusammen 1979 das legendäre "No Nukes"-Konzert in New York organisierte, eine Petition gegen das geplante Gesetz organisiert und ein Musikvideo auf der Internetseite YouTube veröffentlicht. Insgesamt 120.000 Unterschriften wollen sie, die von einer neuen Anti-Atombewegung sprechen, schon gesammelt haben. Unterstützt werden sie bei ihrer Aktion von Umweltgruppen und Musikern wie Patti Smith, R.E.M. und Wynton Marsalis.

Das Nuclear Energy Institute verhöhnte den Musiker-Protest und ließ wissen, dass Atomenergie in den USA in erster Linie deshalb eine Wiederauferstehung feiere, weil die öffentliche Sorge um das Klima Kohlekraftwerke zunehmend diskreditiere. Erst letzte Woche hatte zum ersten Mal eine US-Behörde, die Gesundheitsbehörde von Kansas, einem Kohlekraftwerk die Lizenz verweigert, weil seine CO2-Emissionen gesundheits- und umweltschädlich seien.

Richtig ist, dass die nationale Nuclear Regulatory Commission kürzlich bekanntgab, mit bis zu 32 Neuanträgen für den Bau von Atomkraftwerken in den nächsten zwei Jahren zu rechnen. Falsch ist hingegen, dass es die us-amerikanische Öffentlichkeit sei, die nach Atommeilern rufe, um das Klima zu schützen. Vielmehr ist es die US-Nuklearindustrie und Unternehmen wie NRG Energy selbst, die ihre Technologie anpreisen als klimafreundlich und leistungsfähiger als andere Energiequellen.

Ende September war NRG Energy die erste US-Firma, die einen vollständigen Antrag auf Neubau eines Atommeilers einreichte. Die Firma hatte nicht mehr an ihrer Atommeilereinheit bauen lassen seitdem im Jahr 1979 ihr Meiler Three Mile Island in Pennsylvania zum Teil eine Kernschmelze erlitten hatte. Mindestens zwei weitere US-Energieversorger reichten in den letzten Wochen Teilanträge ein.

Weil der Bau von Atomkraftwerken extrem teuer und risikoreich ist, wandte sich die Industrie an den Kongress. Der hatte im Energy Policy Act im Jahr 2005 Steuererleichterungen, Billigkredite und andere Subventionen für die Nuklearenergie festgeschrieben. "Ohne diese Anreize hätten wir gar nicht mehr mit dem Beantragungsprozeß begonnen", sagte Anfang Oktober NRG Energy-Chef David W. Crane. Das Gesetz sieht vor, dass für jeden vor Ende 2008 eingereichten Antrag Steuererleichterungen im Wert von 125 Millionen Dollar für acht Jahre, Kreditgarantien für bis zu 80 Prozent der Baukosten und weitere Subventionen aller Art zu haben sind.

Die Administration von US-Präsident George W. Bush legte von Anfang an Wert auf neue Atommeiler, die sie stets als "grenzenlose Quelle sauberer Energie" bezeichnet. Gemäß einer Gallup-Umfrage vom März diesen Jahres sind 53 Prozent der AmerikanerInnen für Nuklearenergie. Damit hat sich die Zustimmung seit der ersten Umfrage dieser Artzt im Jahr 1994 kaum verändert. Damals sprachen sich 57 Prozent für die riskante Energie aus.

Heute operieren in den USA landesweit 104 Atommeiler in 31 Bundesstaaten. Insgesamt liefern sie 20 Prozehnt der US-Elektrizität. Seit 1996 wurden keine US-Atomeiler mehr fertiggestellt. In dieser Zeit haben die Betreiber ihre vorhandenen Meiler effektiver gemacht, heute arbeiten alle mit einer Auslanstungsrate von über 90 Prozent. Pro-Atomenergie-Experten schätzen, dass die Vereinigten Staaten angesichts des steigenden Energiebedarfs bis 2025 noch mindestens 30 Meiler bauen müssten, um ihren Versorgungsanteil zu halten.

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