EU will neue Pestizid-Richtlinie: Weniger Obst mit Gift

200.000 Tonnen Pestizide werden jährlich in der EU versprüht. Das soll anders werden. Das EU-Parlament beschloss strengere Vorschriften für Unkrautvertilgungsmittel.

Ziel: Weniger Gift in der Aprikose Bild: dpa

BRÜSSEL taz Eine Mehrheit des EU-Parlaments hat sich am Dienstag dafür ausgesprochen, die seit 1991 geltenden Zulassungsregeln für Pestizide zu verschärfen. Außerdem stimmten die Abgeordneten für eine neue Richtlinie, die den sparsamen Umgang mit Pestiziden in den Mitgliedsstaaten regeln soll. Die sehr strenge Vorlage des Umweltausschusses wurde allerdings vom Plenum abgeschwächt. Nur für Risikosubstanzen gibt es ein verbindliches Reduktionsziel. Bis 2013 muss ihr Verbrauch halbiert werden. Den Mitgliedsstaaten bleibt es überlassen, ob bei Sprühaktionen die Anwohner informiert werden müssen. An Wasserläufen soll es zwar Schutzzonen geben, in denen nicht gesprüht werden darf. Ihre Breite aber legen ebenfalls die Mitgliedsstaaten fest.

Als "Meilenstein für den Verbraucher- und Umweltschutz" feierte die grüne Verbraucherschutzexpertin Hiltrud Breyer das Ergebnis. Sie konnte sich mit der Forderung durchsetzen, dass für Stoffe, für die es weniger giftigen Ersatz gibt, die Zulassung auf fünf Jahre beschränkt wird. Außerdem wird ein "Pestizidpass" eingeführt, auf dem der Landwirt eintragen muss, welches Produkt er wo ausgebracht hat.

In der Debatte am Vorabend hatte Breyer darauf hingewiesen, dass für die Europäer laut Umfragen gesundes Essen einen sehr hohen Stellenwert habe. "Die Menschen wollen kein Gift auf ihrem Teller", so Breyer. Der dänische sozialistische Abgeordnete Dan Jörgensen bedauerte in der Aussprache, dass das Sprichwort "An apple a day keeps the doctor away" schon lange nicht mehr gelte. Viele Früchte enthielten Pestizidrückstände und seien nicht gesund, sondern schädlich für den Menschen.

Vor wenigen Tagen erst hatte das Europäische Aktionsnetzwerk gegen Pestizide diese Aussage mit Ergebnissen eines Tests in der Brüsseler Filiale des Europaparlaments eindrucksvoll belegt. In der Tiefgarage des Gebäudes befindet sich ein Supermarkt, in dem viele Abgeordnete für den kleinen Hunger zwischendurch Obst einkaufen. Drei der acht untersuchten Früchte enthielten Pestizidrückstände, die über den derzeit erlaubten Grenzwerten liegen. Diese Aprikosen, Weintrauben und Orangen hätten eigentlich gar nicht in die Regale gelangen dürfen.

"Die Aprikosen enthielten hohe Anteile eines Stoffes, der den Stoffwechsel beeinträchtigen soll, einige Trauben waren mit einer krebserregenden Substanz verseucht, und die Orangen waren mit zwei Pestiziden verunreinigt, die mit Krebs und Fortpflanzungsschädigungen in Verbindung gebracht werden", berichtete die Organisation. Alle Früchte stammten aus europäischer Produktion. Die EU-Kommission veröffentlichte ähnliche Ergebnisse. Danach sind vierzig Prozent der in der EU angebotenen Früchte und Gemüse mit Pestizidrückständen verunreinigt.

Das ist die Folge eines ständig steigenden Verbrauchs an Pestiziden und Insektiziden in der EU. In den letzten zehn Jahren verdoppelte er sich auf zuletzt 200.000 Tonnen pro Jahr. Dennoch möchte die konservative Fraktion möglichst wenig neue Beschränkungen für die Landwirte. "Wenn den Bauern vorgeschrieben wird, dass sie den Verbrauch reduzieren müssen, untergräbt das die gute fachliche Praxis", glaubt die CDU-Abgeordnete Christa Klass. "Unkrautvernichtungsmittel sind teuer. Kein Landwirt wird mehr als nötig ausbringen." Auch Sprühaktionen aus der Luft, die der Umweltausschuss verbieten lassen wollte, seien in manchen Lagen unverzichtbar. "Beim Steillagenweinbau bei mir an der Mosel gibt es dazu keine Alternative."

Die Mehrheit folgte dieser Argumentation gestern. Klass konnte sich auch damit durchsetzen, dass die Anwohner bei Sprühaktionen nicht informiert werden müssen. Schädliche Stoffe seien schließlich ohnehin verboten. Die Anwohner würden nur ohne Not verunsichert. Bei Parks und Pausenhöfen sollte aber nur das absolute Minimum gesprüht werden. Alternativen seien zu bevorzugen. "Das kann meiner Ansicht nach auch eine Schulklasse sein, die zum Unkrautjäten auf den Schulhof geschickt wird", erklärte Klass. Darauf wollte sich die Mehrheit nicht verlassen. Sie stimmte für den Antrag, Pestizide auf Spielplätzen, Pausenhöfen und in Parks ganz zu verbieten. Beim nächsten Agrarministerrat Ende November werden die Mitgliedsstaaten eine Stellungnahme abgeben. Dann geht das Gesetzespaket in die zweite Lesung.

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