Kommentar EU-Urteil: VEB VW, ade!

Der Europäische Gerichtshof setzt beim VW-Gesetz erneut auf Liberalisierung und riskiert, dass Bürger die EU als Bedrohung wahrnehmen - schlecht für die Integration.

VW darf kein volkseigener Betrieb sein, jedenfalls kein gesetzlich geschützter. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in seinem Urteil am Dienstag entschieden. Demnach verstoßen die Sonderrechte, mit denen sich der Bund und das Land Niedersachsen Einfluss auf den Konzern sichern und ihn vor feindlichen Übernahmen schützen, gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU. Für Gewerkschafter ist klar: Die Interessen des Kapitalmarktes werden höher bewertet als die der Beschäftigten nach sicherer Arbeit und Einkommen.

Die EU, die das Luxemburger Verfahren gegen die Bundesrepublik angestrengt hatte, greift damit tief in die wirtschaftspolitische Gestaltungsfreiheit ihrer Mitgliedsstaaten ein. Wie bei der Dienstleistungsrichtlinie setzt sie auf stärkere Liberalisierung - und nimmt in Kauf, dass ihre Bürger, die sich vor Lohndumping und Jobverlusten fürchten, Brüssel als Bedrohung wahrnehmen. Für die europäische Integration kann das nicht gut sein.

Obwohl das VW-Gesetz ein Sonderfall ist, stellt sich nach dem EuGH-Urteil erneut die Frage, wie viel Staat in den Unternehmen sein darf und sein soll. Nach Jahren des neoliberalen Privatisierungskurses setzt international ein Umdenken ein - die Debatte in Deutschland um den Verkauf der Bahn ist ein Beispiel dafür. Die Privatisierungskritiker fürchten zu Recht, dass nach einem Verkauf die Rendite-Interessen der Investoren bedient werden - zu Lasten der Beschäftigten, des Angebotes und der Infrastruktur. Auch die Debatten, den Einfluss von Hedgefonds oder staatlichen Fonds auf Schlüsselindustrien zu begrenzen, zeigen, dass der Glaube an die Selbstregulierung der Märkte erschüttert ist.

Der EuGH hat VW etwas mehr den Marktkräften ausgesetzt. Da das Bauen von Autos nicht zur Daseinsvorsorge - wie etwa die Wasser- und Energieversorgung - gehört, muss das nicht so schlimm sein. Zumal VW sich in Sachen Umwelt- und Klimaschutz kaum von anderen Konzernen unterscheidet. Außerdem hätte der Staat, wenn er unbedingt wollte, andere Möglichkeiten zur Wahrung seines Einflusses: Anteile aufstocken. Dann bliebe VW ein volkseigener Konzern. Aber das passt wohl nicht in die politische Landschaft.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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