EU-Gericht kippt Gesetz: Porsche kann VW übernehmen

Obwohl Porsche mehr Anteile an VW besitzt als Niedersachsen, hatten beide dieselben Stimmrechte. Mit dem Urteil des EU-Gerichtshofs ist es damit vorbei.

Nun ist VW nicht mehr vor feindlichen Zugriffen geschützt. Bild: dpa

LUXEMBURG/STUTTGART/HANNOVER Mit dem Urteil gegen das VW-Gesetz hat der Europäische Gerichtshof den Weg dafür freigemacht, dass Porsche die Macht bei Volkswagen übernimmt. Schon jetzt besitzt Porsche 31 Prozent des größten europäischen Autobauers. Doch infolge des VW-Gesetzes verfügte die Porsche AG bislang über dieselben Stimmrechte wie das Land Niedersachsen, obwohl dieses nur 20 Prozent der VW-Anteile hält. Damit wird es bald vorbei sein. Kurz nach dem Urteil ließ die Bundesregierung wissen, dass sie das VW-Gesetz abschaffen oder zumindest ändern werde.

"Wir haben genügend Optionen, um unseren Anteil ordentlich zu erhöhen", hatte der Vorstandsvorsitzende von Porsche, Wendelin Wiedeking, bereits vor dem Urteil gesagt. Nun dürfte Porsche nach und nach 50,1 Prozent der VW-Aktien erwerben und dann, nach der Änderung des Gesetzes, tatsächlich die Macht bei VW übernehmen. Eine neue Holding, eine Gesellschaft europäischen Rechts, ist bereits gegründet. In diese könnte der Volkswagen-Konzern als Porsche-Tochter eingegliedert werden.

Der Sportwagenbauer Porsche hält derzeit knapp ein Drittel der Anteile an Volkswagen (31 Prozent). Der Konzern mit Sitz in Stuttgart war im September 2005 bei Europas größten Autobauer eingestiegen und hatte danach schrittweise seine Anteile erhöht. Porsche gilt mit seinem Vorstandschef Wendelin Wiedeking an der Spitze als der profitabelste Autohersteller der Welt.

Die Beteiligung lässt bei den Stuttgartern schon jetzt kräftig die Kasse klingeln. Für das vergangene Geschäftsjahr wird ein Gewinn erwartet, der deutlich über den 2,1 Milliarden Euro des Vorjahres liegen wird. Nach den vorläufigen Angaben für das Geschäftsjahr 2006/07 setzte Porsche 97.500 Fahrzeuge ab. Zugleich legte der Umsatz um drei Prozent auf 7,4 Milliarden Euro zu.

Gegen den Mitbestimmungsvertrag, den Porsche mit dem eigenen Betriebsrat bei der Gründung der Holding abgeschlossen hat, klagt vor dem Arbeitsgericht Ludwigsburg der VW-Betriebsrat. Die Mitbestimmungsvereinbarung sieht unter anderem vor, dass jede Porsche-Tochter gleich viel Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Holding entsendet. Bernd Osterloh, der Vorsitzende des VW-Betriebsrats, befürchtet, dass im wichtigsten Gremium der neuen Muttergesellschaft die 324.000 VW-Mitarbeiter genauso stark vertreten sind wie die 12.000 Porsche-Beschäftigten. So oder so könnte die starke Stellung des Betriebsrats bei VW bald der Vergangenheit angehören. Porsche-Chef Wiedeking meint, dass die Mitbestimmung oder der Haustarifvertrag "keine heiligen Kühe" seien, also abgeschafft werden können.

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) betonte nach dem Urteil, dass das Land auch mit seinen 20,1 Prozent eine Sperrminorität bilden könne. Dafür sind auf den Hauptversammlungen die Stimmen von einem Viertel der anwesenden Anteilseigner notwendig. Wenn aber Porsche und Niedersachsen zusammen auf 70 Prozent der VW-Anteile kommen sollten, wäre selbst diese Sperrminorität in Gefahr. Zwar könnte Niedersachsen, immerhin der einstige Hauptaktionär, seinen Anteil auf 25 Prozent aufstocken. Aber beim gegenwärtigen Aktienkurs würde dies 2,5 Milliarden Euro kosten. Und die hat Niedersachsen nicht übrig.

Auch die beiden Sitze im VW-Aufsichtsrat, die Porsche Niedersachsen nach Angaben von Wulff und des Sportwagenherstellers weiter zusteht, wären nach einer Eingliederung von VW als Tochter in die neue Porsche Holding nur noch von geringen Wert. Im Konfliktfall zählen die Mehrheiten auf der Hauptversammlung, die sich auch auf die Gewichte im Aufsichtsrat auswirken.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist damit die bedeutendste Zäsur in der Geschichte von Volkswagen seit der Neugründung des Unternehmens nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg wurde einst von der Deutschen Arbeitsfront gegründet - mithilfe von Kapital, das die Nationalsozialisten bei der Zerschlagung der deutschen Gewerkschaften geraubt hatten. Der Stammvater des Clans Porsche/Piëch, Ferdinand Porsche, war der Konstrukteur des VW-Käfers, aber nie Eigentümer des Unternehmens. Sein Schwiegersohn Anton Piëch, der Vater von Ferdinand Piëch, diente den Nazis als Werkleiter in Wolfsburg. Volkswagen hat dennoch den Familienclan reich gemacht. Der erste Porsche-Sportwagen war ein umgebauter Käfer, und die Familie erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg Lizenzeinnahmen von VW für den Käferbau. Die Porsche Holding in Österreich verkauft heute VW-Modelle in 17 europäische Länder und ist Europas größter Autohändler. Porsche lässt seinen Cayenne zu großen Teilen bei VW in Bratislava fertigen.

Die Übernahme von VW würde auch den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von Porsche drastisch senken und könnte die Gefahren beseitigen, die dem Unternehmen langfristig durch Klimagrenzwerte der EU drohen. Gegenwärtig liegt der Schnitt der Porsche-Fahrzeuge bei fast 300 Gramm CO2 pro Kilometer.

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