Kunstmarkt: Die Blase will nicht platzen

Die jüngste Immobilienkrise hat dem Frieze Art Fair in London wider Erwarten nicht geschadet. Die britische Presse feiert noch die biederste Standidee.

Die neue Messe hat sich etabliert - Frieze Art Fair in London. Bild: ap

Der Stand der Galerie Gavin Brown New York auf der diesjährigen Frieze Art Fair im Londoner Regents Park ist ein Flohmarkt. Neben kleinen verschrabbelten Objekten mit persönlicher Geschichte und verrückten Klamotten von Nachwuchskünstlern sind aber auch Kunstwerke zu finden, die offenkundig welche sein wollen. Die Idee, Kunstmarkt und Flohmarkt gleichzusetzen, ist mäßig originell und sie entspricht auch nicht dem Kaufverhalten der Klientel. Diese scheint momentan eher auf bleibende Werte zu setzen statt einem rein subjektiv gesteuerten Kaufrausch zu verfallen.

Trotzdem feiert die ortsansässige Presse das altmodisch bohemistische Standkonzept, als handele es sich um eine durch und durch abgefahrene Inszenierung, ein revolutionäres Stück Kunstmessengeschichte. Nebenan, während der Professional Preview, markieren Jake und Dinos Chapman in der Londoner Galerie White Cube, der Heimatgalerie der inzwischen etwas in die Jahre gekommenen Young British Artists, 20-Pfund-Scheine der Messebesucher mit lustigen zeichnerischen Eingriffen wie einem Schnurrbart oder Segelohren für die Queen. Ein willkommenes Take away und Schnäppchen, vielleicht auch eine verdiente Belohnung für das viele Anstehen, denn sicher werden diese Originale binnen kurzem im Wert steigen.

Gerade weil jeder weiß, dass es strafbewehrt ist, auf Geldscheine zu zeichnen und die Queen zu beleidigen, scheint es einigermaßen lächerlich, von Schockwirkung und Skandalkunst zu sprechen, wie auf der Pressekonferenz zu vernehmen war. Der aufgekratzte Hype um die in wenigen Jahren zum Megaevent avancierten Londoner Kunstmesse darf, so scheint es, auf keinen Fall abebben. Für Spannung sorgte im Vorfeld der Eröffnung die Botschaft, die "Blase" sei geplatzt, die unter den Ausstellern kursierte. Die "Blase" meint einerseits das viele überflüssige Geld, das in den letzten Jahren in das Luxusgut Kunst investiert wurde; andererseits die Inszenierungspraktiken, die diese Hausse dekadent umspielten: Happenings, Partys, Skandälchen.

Die Probleme der Londoner und New Yorker Großverdiener im Bereich Immobilien und Investmentbanking, so wurde befürchtet, könnten sich bei der diesjährigen Frieze Art Fair erstmals bemerkbar machen. Tatsächlich belegen die offiziellen Auskünfte der Galerien bezüglich der Verkaufszahlen jedoch keine größeren Einbrüche. Die Standkonzepte sind konventionell bis bieder, was der Nachfrage nach abgesicherten Positionen entspricht, wie einer großen Arbeit von Ilya Kabakov für rund eine halbe Millionen Euro sowie gleich fünf große Baselitz-Gemälde bei Taddaeus Ropac. Auch die gediegenen Waddington Galleries London melden gute Umsätze mit Rauschenbergs, Warhols und Tapies. Jonathan Meeses Gruselbronzen bei Contemporary Fine Arts sind ohnehin Dauerbrenner, da unterscheidet sich London nicht von Berlin oder Miami.

Dazwischen findet sich aber auch durchaus Bemerkenswertes. Eine feine Arbeit aus der Manet-Serie von Stephen Prina bei PKM Korea/Peking, Sterling Rubys neue Spraypaintings bei Metropictures und eine Tafel mit pornografischen Standardstellungen inklusive ihrer theoretischen Erklärungen von Heimo Zobernig bei Christian Nagel.

Der 32-jährige Michael S. Riedel stellt bei Zwirner, New York eine eckige Sperrholzskulptur aus. Sie könnte Fragment einer Messestandarchitektur für den nagelneuen Saab sein, einer Limousine der gehobenen Mittelklasse, die mit dazugehörigem Prospektständer wie auf einer Automesse inszeniert ist. Das Auto wird von der Firma für die Zeit der Messe zur Verfügung gestellt, es ist nicht Bestandteil der Skulptur. Das perfekte Readymade entpuppt sich leider nur als Promotion, die helfen soll, die eigentliche Skulptur, die wie Beiwerk daherkommt, zu verkaufen.

Gegen Riedels überzeugend konsequentes Konzept wirkt der knallgelbe Dodge fad, den Richard Prince für das von der Messeleitung initiierte Sonderprogramm "Comissions" beisteuert. Denn die trashig gestylte junge Frau in Hotpants, die ihn stundenlang mit einem Poliertuch wienern muss, erscheint gegenüber Riedels kühlem Kalkül als ausgesprochen harmloser, ja plumper Kommentar zum Thema fetischisiertes Kaufverhalten.

Dass die Blase geplatzt sei, kann also niemand so richtig behaupten. Aber was die Stimmung anbelangt, wirkt die Befürchtung weiter fort. Nach der Messe ist vor der Messe. Und möglicherweise nervöser als die Jahre davor erwartet man nun die Art Basel/Miami Beach im Dezember. Die Zeltarchitektur im Regents Park ist ein mobiler Aufbau, der nach Ablauf verschwindet. Die Frieze Art Fair aber, das lässt sich absehen, wird bleiben, auch nach dem Hype.

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