Nichts elegant oder gar vornehm

KINO Mit der Neuverfilmung von „Wuthering Heights“ wird einem eine unmögliche Liebe ganz roh und elementar nahegebracht

Man glaubt, es riechen zu können. Dieses karge Hochland im Yorkshire des 19. Jahrhunderts. Die wüste, abweisende Landschaft „Sturmhöhe“, nach der das Gut der Earnshaws benannt ist. Den unaufhörlichen, erdigen Wind. Den schweren Nebel, die moderigen Heidebüsche, das wild zerzauste Haar der jungen Catherine, die mit weiten Schritten durch das Gelände stapft wie ein welterobernder General.

Nichts an Andrea Arnolds („Fish Tank“, „Wasp“) klug durchdachter Verfilmung von „Wuthering Heights“ (Sturmhöhe), dem einzigen Roman von Emily, der mittleren Brontë-Schwester, ist hochherrschaftlich. Der Hof: ein gedrungenes Gebäude im ewigen Matsch. Die Tiere: feucht dampfend im engen Stall. Die Stube: kalt, muffig, mit ein paar groben Möbeln fürs Nötigste hergerichtet. Nichts ist elegant oder gar vornehm. Nicht die Zurechtmachung der Töchter des Hauses oder des Hausherrn. Nicht ihre Sprache, die kantig und sehr heutig klingt und manchmal so stoßhaft kommt, als hätte sich das eine Wort vor die Atemwege gelegt und müsste jetzt raus. Um nicht zu ersticken an den Deckelungen des eigenen Sehnens, den Grausamkeiten gesellschaftlicher Unterdrückung und den quälenden Kompromissen der Beziehungsökonomien.

Andrea Arnold schafft eine Tonlage, die allen Verklärungen und Romantizismen früherer Adaptionen von „Wuthering Heights“ mit rauer Nüchternheit entgegensteht. Das macht ihren Film so gegenwärtig, neu und aufregend. Ihr Heathcliff (Solomon Glave als Junge, dann James Howson), den der Vater eines Tages anschleppt, ist zudem kein „dunkelhäutigen Zigeuner“. Sie macht ihn zu einem Schwarzen, was ihn noch stärker aus seiner graugrünen Umgebung hervortreten lässt, und seinen unaufhörlichen Kampf als Vereinzelter mit Fremdheit, Heimatlosigkeit und Rassismus ins Archaisch-Animalische steigert.

Rebellischer Eros

Heathcliff muss sich in jeder Sekunde auf seine Instinkte und sein abgrundtiefes Misstrauen verlassen. Er prügelt und beißt um seine Existenz und weiß schon früh, dass er sich keine Herzensgüte leisten kann, dass das Leben für ihn nie etwas anderes sein wird als Widerstand. Das grundiert seine Seelenverwandtschaft und große Liebe mit und zu der heranwachsende Catherine mit einem die viktorianischen Leserinnen zutiefst verstörenden, instinkthaften, rebellischen Eros.

Andrea Arnold trifft im Casting noch weitere eigensinnige und höchst spannende Entscheidungen. So sind sich ihre Darstellerinnen, die die junge und die etwas ältere Catherine verkörpern, so überraschend unähnlich, dass sie mit schon brechtschen Entfremdungseffekten eher die Verhältnisse verkörpern als die Leibhaftigkeit oder gar die Psychologie ihrer Charaktere. Da ist zuerst diese stämmige, mutige Heidegeneralin (Shannon Beer) als junge Catherine, mit der sich die Ermächtigung eines ganzen Geschlechts denken ließe. Und dann ihre von Kaya Scodelario gespielte fragile, vom Ehestand, gesellschaftlichen Aufstieg, aber auch emotionalen Defiziten geformte Nachfolgerin. Modellhafter lässt sich kaum von den Korsagen reglementierter Weiblichkeit erzählen.

Die Dialoge des Buchs übersetzt Arnold konsequent ins Suggestive, Atmosphärische. Da klopft ein Ast penetrant an die Tür oder der Wind peitscht ins Gesicht, wenn die Protagonisten alle Worte über Angst, Wut und Sehnen längst verloren haben.

Arnold und ihr Kameramann Robbie Ryan haben große Sorge aufs Details gelegt, sich Zeit genommen, Verrichtungen der Hände, mit Schlamm durchtränkte Kleidersäume, Gräser oder Käfer ins Bild zu setzen. Schärfen und Unschärfen verstärken den Eindruck des Subjektiven ebenso wie Panoramaaufnahmen, in denen das schroffe Grün zum Erlebnisraum dieser unmöglichen Liebe wird, die uns im Kino selten so zeitgenössisch, roh und elementar nahegebracht wurde. BIRGIT GLOMBITZA

■ Als OmU im fsk am Oranienplatz, 20.15 Uhr (So. auch 13.30 Uhr)