Türkei: Erdogan will das Kopftuchverbot lockern

Türkinnen sollen mit Kopfbedeckung studieren dürfen. Regierungspartei AKP drängt auf eine neue Verfassung.

Mit Kopftuch zum Uniabschluss? Die AKP will das auch in der Türkei möglich machen. Bild: dpa

ISTANBUL taz Der Kampf ums Kopftuch geht in der Türkei in die entscheidende Phase. Nachdem die regierende islamisch grundierte AKP einer offenen Konfrontation jahrelang ausgewichen war, geht sie jetzt in die Offensive. Auf einer Vorstandssitzung am Dienstagabend beschloss die Parteiführung, in den Entwurf einer neuen Verfassung einen Passus einzuarbeiten, der verbietet, jemanden wegen seiner Kleidung von der Hochschule auszuschließen. Der Financial Times sagte Premier Erdogan, das Recht auf eine Hochschulbildung dürfe nicht wegen der Kleidung einer Frau eingeschränkt werden. Er werde sich dafür einsetzen, dass die Diskriminierung von Kopftuchträgerinnen aufgehoben werde.

Die geltende Verfassung geht zwar auf die Kopftuchfrage nicht explizit ein, doch hat das Verfassungsgericht Ende der 80er-Jahre wegen des Laizismusgebots das Tragen von Kopftüchern als Zeichen religiöser Symbole an Universitäten untersagt. Auch jetzt befürchten die Gegner des Kopftuchs, dass andernfalls der laizistische Charakter der Hochschulen unterlaufen wird.

Die Debatte über das Kopftuchverbot in allen öffentlichen Institutionen ist der am stärksten emotionalisierte Punkt in der Auseinandersetzung zwischen islamischen und laizistischen Gruppen. Nachdem die AKP in den ersten viereinhalb Jahren ihrer Regierung keine Aufweichung des Kopftuchverbots durchsetzen konnte, erwarten ihre meisten Anhänger nach dem Wahlsieg im Juli und der Wahl von Abdullah Gül zum Präsidenten einen Durchbruch.

Dabei geht es bei der Verfassungsreform nicht nur um das Kopftuch. Die geltende Verfassung stammt aus der Zeit der Militärdiktatur Anfang der 80er-Jahre, weshalb sich alle Parteien darin einig sind, dass ein neues, demokratischeres Grundgesetz notwendig ist. Die AKP hat eine Kommission eingesetzt, um einen Entwurf erarbeiten zu lassen. Der soll kommende Woche der Öffentlichkeit präsentiert und dann ins Parlament eingebracht werden. Dort muss sich die AKP um Zustimmung anderer Parteien bemühen, da sie keine Zweidrittelmehrheit hat.

Der Beschluss der Parteiführung ist daher nur der Auftakt für eine monatelange Debatte. Auch wenn die Kopftuchfrage dabei nur eine unter vielen ist, wird sie zum entscheidenden Symbol werden. Das Kopftuch wird der Test für die Zivilgesellschaft, bei dem sich zeigen muss, wie demokratisch über die künftige Verfassung diskutiert und entschieden wird. "Nur weil die AKP uns von der Verfassung der Militärs befreit, darf sie uns nicht eine AKP-Verfassung aufdrücken", schrieb gestern der bekannte Kolumnist Mehmet Ali Birand.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.