Kommentar: Mehr Frauenhäuser, bitte!

Zwangsehen sind kein reines "Migranten-Problem". Darum müssen deutsche Politiker endlich Verantwortung übernehmen und gegen erzwungene Heiraten aktiv werden.

Gleich mehrere Frauenverbände haben gestern vor einem Anstieg von Zwangsverheiratungen junger Migrantinnen gewarnt. Es ist kein Zufall, dass sie gerade jetzt Alarm schlagen. Denn Eltern, die ihre Tochter gegen deren Willen verheiraten wollen, nutzen häufig die Gelegenheit, dass sich die Mädchen in der Sommerpause leichter von der Schule abmelden lassen. Dann fahren sie mit ihnen in den Heimaturlaub, wo oft schon ein Bräutigam auf sie wartet. Zum Glück gibt es immer mehr Frauen, die sich dagegen wehren. Das ist eine gute Nachricht. Und sie erklärt, warum die Zahl der Fälle von solchen geplanten Zwangsverheiratungen in den letzten Jahren so deutlich zugenommen hat.

Die Dunkelziffer dürfte noch immer höher liegen. Aber dass immer mehr solcher Fälle ans Licht kommen, ist der Sensibilität geschuldet, die allerorten zugenommen hat. Publizistinnen wie Necla Kelek oder Seyran Ates haben die deutsche Öffentlichkeit mit zuweilen schrillen Tönen auf das Thema aufmerksam gemacht. Wichtiger aber war, dass auch unter den Meinungsführern der türkischen Community - und nicht zuletzt in der Türkei selbst - ein Umdenken stattgefunden hat. Migrantenverbände und Moscheegemeinden haben endlich ihre Verantwortung erkannt, das türkische Massenblatt Hürriyet startete sogar eine Kampagne gegen Zwangsehen. Solche Initiativen haben in der Zielgruppe wohl eine größere Resonanz als antimuslimische Polemiken, mit denen man die Mehrheit der Migranten vor den Kopf stößt.

Es ist gut, dass die deutsche Öffentlichkeit Zwangsehen nicht mehr als ein reines "Migranten-Problem" begreift, mit dem sie nichts zu tun haben will. Noch schöner wäre es, wenn deutsche Politiker ihrer Verantwortung auch gerecht würden. Die Bundesregierung hat das Problem kürzlich als Vorwand benutzt, um ein diskriminierendes Zuwanderungsgesetz durchzuboxen. Besser wäre es, die Frauenhäuser besser auszustatten und Angebote, die sich speziell an Migrantinnen richten, auszubauen. Damit Mädchen, die sich vor einer Zwangsverheiratung fürchten, auch irgendwo Zuflucht finden.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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