Kommentar: Unterschätzte Risiken

Zum zweiten Mal in zehn Jahren erleidet die Börse einen unsanften Frontalcrash. Kein Wunder bei den wahnwitzigen Kurssteigerungen der letzten Zeit.

Blase? Welche Blase? So hatte es zur Jahrtausendwende geheißen, wenn sich damals jemand über die wahnwitzigen Kurssteigerungen an den Aktienmärkten wunderte. Die "New Economy" habe die alten Gesetze der Ökonomie hinweggefegt, so dass etwa ein realistisches Verhältnis von Aktienkursen zu tatsächlichen Unternehmensgewinnen gar keine Rolle mehr spiele. Die New-Economy-Gläubigen wurden recht unsanft in die Wirklichkeit zurückbefördert. Aus der geplatzten Internet-Blase haben sie gelernt. Der Boom dieser Tage, beteuern die Finanzexperten, hängt nicht nur von einer Branche ab. Zudem machen die Unternehmen nicht nur hypothetische, sondern reale Gewinne. Und die rechtfertigen hohe Kurse.

Risiko? Welches Risiko?, hatte es also bis vor kurzem noch geheißen, wenn sich trotzdem jemand über die Kreditschwemme auf den Weltfinanzmärkten wunderte. Schließlich sei eine Ära völlig neuartigen Risikomanagements angebrochen. Die Banken haben die Schuldscheine nämlich nicht mehr in ihren eigenen Büchern behalten, sondern samt den damit verbundenen Risiken gleich weiterverkauft, gerne auch an Hedge-Fonds. Dadurch seien die Risiken so breit gestreut, dass eigentlich nichts mehr schiefgehen könne, und die früher üblichen Risikoaufschläge seien überholt.

Billiges Geld gab es also im Überfluss. Geld, das seinen Weg auch an die Börsen fand und dort die Kurse nach oben trieb. Wer angesichts dessen vor einer Liquiditätsblase warnte, galt als Spielverderber. Wer eine Regulierung der Hedge-Fonds oder wenigstens Transparenz über die Geldanlage einforderte, noch viel mehr. Dass die Notenbanken schon länger vor den Risiken warnten, die solch intransparente Finanzmärkte darstellen - egal. Jetzt müssen sie hektische Notoperationen durchführen, deren Erfolg unsicher ist.

Anscheinend gibt es nur eine Art, wie Spekulanten lernen: auf die harte Tour. Man möchte ihnen das Ende der Sause fast gönnen. Wäre da nicht der leidige Nebeneffekt, dass eine Finanzkrise meist auch die reale Wirtschaft mit nach unten reißt. Das trifft dann nicht die Spekulanten, sondern in erster Linie diejenigen, die noch nie Geld zum Anlegen an der Börse hatten.

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