Ost-West-Beziehungen: Mohrrüben sind kein Thema

In Leipzig wollten Journalisten über Korrespondentendasein im geteilten Deutschland diskutieren. Statt dessen wurde es eine Geschichtsonkelstunde.

Der Blick über die Mauer - 17 Jahre nach der Wende kein Problem mehr. Bild: dpa

Spannend wurde der Abend erst, als er eigentlich schon zu Ende war. Nach der Diskussion "Der andere Blick - Korrespondentenarbeit im geteilten Deutschland", zu der Deutschlandfunk und Leipziger Volkszeitung am Mittwoch ins Zeitgeschichtliche Forum Leipzig geladen hatten, wurde der eigentliche Gegenstand erst im Publikumsgespräch zum Thema: deutsch-deutsche Journalistenbeziehungen und die Widrigkeiten, denen westdeutsche Reporter in Ost-Berlin und ihre ostdeutschen Kollegen in Bonn ausgesetzt waren.

Dass SZ-Korrespondent Peter Pragal etwa erstmals nach 11 Jahren Tätigkeit in Ost-Berlin Kontakt zu einem ostdeutschen Kollegen hatte. Dass der Reisekorrespondent Peter Wesnierski von einem Pfarrer ausspioniert wurde, der zugleich Chefredakteur der Mecklenburgischen Kirchenzeitung war und das über die Wende hinaus blieb, bis Wisnierski ihn durch einen Fernsehbeitrag für "Kontraste" als IM auffliegen ließ. Das waren die Themen, über die man mehr erfahren wollte. Stattdessen geriet die als Höhepunkt angedachte "Diskussion" zuvor zum Geschichtenonkeltreffen. Und verkam unweit des ehemaligen Roten Klosters, Kaderschmiede der DDR-Journalisten, zur ostromantischen Märchenstunde. Hier eine Stasi-Anekdote, dort etwas Spionage und viel Blabla.

Was hätte das für eine spannende Diskussion werden können angesichts der namhaften Teilnehmer? Neben Pragal, dem FAZ-Korrespondenten Peter-Jochen Winters und Wesnierski war Ralf Bachmann der einzige DDR-Vertreter in der Runde. Bachmann war 1981 der erste Bonner Korrespondent des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes. Wenigstens er sorgte während der live im Radio übertragenen Dreiviertelstunde für ein bisschen Inhalt. Er berichtete von sozialistischen Heimatabenden am Rhein mit importiertem Radeberger-Bier und Halberstädter Würstchen sowie von den absurden Verboten, denen er als ostdeutscher Journalist unterlag. Auf seiner Tabu-Liste, "die jeder anständige DDR-Journalist besaß", stand unter anderem: Mohrrüben sind kein Thema. Pakistan existiert nicht und Israel sowieso nicht. Der Papstbesuch findet nicht statt und Reportagen über westdeutsche Landschaften sind strikt untersagt, könnten sie doch die Reiselust der Ost-Bürger wecken.

Die "Diskussion" krankte insgesamt an der zu knapp bemessenen Zeit und der unerklärlich sanften Moderationsführung von Henning von Löwis, bei dem man zudem zweimal kurz das Gefühl hatte, er wäre eingenickt. Anders ist wohl kaum zu erklären, warum er seinen Funksender wiederholt unter lautem Getöse zu Boden fallen ließ.

So verschenkte der Deutschlandfunk ein hoch spannendes Thema, um stattdessen im Ostalgiebrei herumzurühren. Und traf damit den wendeverdrossenen Nerv der Leipziger Zuschauer.

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