Feixende Mörderfratzen

Killer-Psychogramm Im Buch „Das Lachen der Täter“ untersucht der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit die Lust am Töten als Ausdruck einer körperlichen Disposition

von Robert Matthies

Der selbst ernannte Tempelritter und rechtsextreme Massenmörder Anders Behring Breivik; die Dschihadisten des „Islamischen Staates“, die täglich Selfies mit den Köpfen ihrer Opfer twittern; die Hass-Propagandisten des ruandischen Radiosenders „Radio-Télévision Libre des Mille Collines“, die Anfang der 1990er-Jahre zum Genozid an den Tutsi aufriefen.

Was auch immer sie ideologisch unterscheidet, eines verbindet sie alle: lauthals lachen diese Männer über ihre Taten, verhöhnen feixend ihre Opfer, machen sich lustig über die Gerichte, die ihre Morde verhandeln. Sie stellen ihre Lust am Töten aus, feiern den Moment des Massakrierens, erzählen grinsend vom Spaß am Schlachten.

Es ist dieses „Lachen der Täter“, das der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit ins Zentrum seines gleichnamigen Buchs stellt: ein endlos mäandernder, offener Kommentar von verstörend großkotzigen Selbstzeugnissen, literarischen Beschreibungen, Gerichtsprotokollen, Zeitungsartikeln und Ansätzen, das so schwer Fassbare auf den Begriff zu bringen.

Ein Versuch, ein Psychogramm der Lust am Töten zu erstellen, durch erzählende Collage eine Persönlichkeitsstruktur herauszuarbeiten, die quer zu allen landläufigen Erklärungsversuchen liegt: Nicht die Ideologie, nicht die Religion, nicht eine psychische Erkrankung treibe die Killer an, so Theweleits zentrale These. Kein abstrakter Vorgang sei das Abschlachten des anderen Lebens; die Lust am Töten entspringe keiner Idee, sondern einer körperlichen Disposition: „Die Lust am Töten erfüllt Kopf und Körper ganz.“

Ein ganz und gar körperlicher Vorgang also und dennoch, das ist der zentrale Punkt, zugleich überpersonal: „körperlich-politischer Ausdruck des Agierens in solchen Einrichtungen mann-dominierter, kriegerischer Organisationen und Gesellschaften“.

„Strukturell“ glichen sie sich deshalb alle: Breivik als patriarchalischer Muslim, „frei flottierender SS-Mann“ und christlicher Antisemit zugleich – all das nur untereinander gleichrangige, „sekundäre, eben ideologische Ausprägungen“. Herzuleiten seien sie sämtlich aus „Bedrohtheiten des eigenen Fragmentkörpers; mit der zentralen Angst vor den körperauflösenden Fähigkeiten des bedrohenden Weiblichen“.

In diesem Sinne ist „Das Lachen der Täter“ denn auch ein Versuch, die Analyse aus Theweleits bahnbrechender Doktorarbeit „Männerphantasien“ zu aktualisieren – nicht zuletzt, weil sie in allen gegenwärtigen Versuchen, die ekstatische Dimension der Gewaltausübung zu fassen, nicht mal mehr erwähnt wird. 1977 untersuchte Theweleit darin die faschistischen Gewalt- und Männlichkeitsphantasien von Freikorps-Soldaten der 1920er-Jahre. Mit einem damals noch ganz unerhörten Theoriesound: ein Mix aus Freud‘scher Psychoanalyse und ihrer deleuzianischen Wendung, aus autobiografischen Erzählungen und politischem Kommentar.

Immer wieder ruft Theweleit seine fast 40 Jahre alte These ins Gedächtnis: „Der zur vollen Größe erwachte ‚soldatische Mann‘ ist immer selbst geboren“, schreibt er, „durch verschiedene Arten seiner Körperzurichtung (‚Drill‘) als Teil der übergeordneten Ganzheits-Organisation“. Und fügt dem kaum mehr hinzu als ein wenig Neurobiologie und Medienkritik.

Ein verstörendes Sammelsurium gegenwärtiger Männerphantasien ist Theweleit jedenfalls gelungen. Das lässt kaum Raum für Optimismus: Kein „Experte“ welcher Couleur auch immer könne „irgendetwas davon dauerhaft lösen“, schließt er: Wir müssen „das im Alltag tun“.

Aber eins macht Hoffnung – davon kann man sich am Dienstag im Philosophischen Café überzeugen: Auch nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit Männergewalt kann Theweleit lächeln. Es ist ein ganz anderes Lächeln als das der feixenden Täter: ein leises, ein sanftes.

Klaus Theweleit: „Das Lachen der Täter. Anders Breivik u. a. ­Psychogramm der Tötungslust. Unruhe bewahren“, Residenz-Verlag 2015, 248 Seiten, 22,90 EUR

Philosophisches Café: Di, 14.7., 19 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38