Das Ding, das kommt
:

LUFTBALLONMÜLL wird vielen Wasservögeln zum Verhängnis. Die Schutzstation Wattenmeer protestiert deshalb gegen eine Luftballonaktion zum Tag der offenen Tür im Landtag SH Foto: Jan van Franeker, IMARES

Abblasen stattaufblasen

Peinlich berührt waren die ForscherInnen des niederländischen Imares-Instituts für Marine Ökologie an der Uni Wageningen, als sie kurz nach dem Koninginnedag 2007 ihre französischen KollegInnen besuchten. Überall am Strand in der Normandie lagen Überreste von Luftballons, die am Nationalfeiertag in den Niederlanden in die Luft gestiegen waren, beschreibt der Meeresbiologe Jan van Franeker in einem Dossier.

Bis zu 800 Kilometer hatten Nordostwinde die Partyballons durch die Luft getragen, mehr als zehn Stück fanden die MeeresökologInnen pro Strandkilometer. Immer wieder finden die Imares-ForscherInnen solchen Ballonmüll auch an den heimischen Stränden: Bis auf die Wattenmeerinsel Texel schafften es kürzlich einige Ballons vom belgischen „Tag der Sauberkeit“.

Dessen OrganisatorInnen hatten offenbar übersehen, wie bedrohlich der Weichplastikmüll nicht nur für Seevögel ist. Die verheddern sich beim Herumspielen in den Schnüren und Verschlüssen aufgeplatzter Ballons oder schlagen sich mit dem bunten Latex den Magen voll – und verenden qualvoll.

Wie viele Tiere tatsächlich sterben, weil ihr Verdauungstrakt mit den Überbleibseln der fliegenden Werbeträger verstopft ist, lässt sich hieb- und stichfest nicht sagen. Immerhin jeder fünfzigste Wasservogelmagen aber, den die Imares-ForscherInnen in den letzten Jahren untersucht haben, enthielt Reste von Luftballons.

BallonherstellerInnen wiegeln ab: alles nicht so schlimm, so das Fazit einer von ihnen in Auftrag gegebenen Studie. Schließlich sei Latex ein Naturprodukt, fast alle Luftballons zerplatzten in der oberen Atmosphäre und die Reste zersetzten sich so schnell wie Eichenblätter. Die allerdings verlieren in sechs Wochen gerade mal ein paar Prozent ihrer ursprünglichen Masse. Ganz zu schweigen von den stark krebs­erregenden Nitrosaminen, die bei der Vulkanisierung von Latex entstehen.

Protestiert hat deshalb jetzt auch die Schutzstation Wattenmeer gegen zwei Luftballon-Massenaufstiege, die zum Tag der offenen Tür im Schleswig-Holsteiner Landtag am Sonntag geplant sind. „Während das Umweltministerium Bürgern rät, freiwillig auf Plastiktüten zu verzichten, und Fischer unterstützt, die Meeresmüll wieder an Land schaffen, will der Landtag 1.000 Luftballons auf die ungewisse Einweg-Reise in Richtung Landschaft und Meer schicken“, ärgert sich Harald Förster von der Schutzstation. Robert Matthies

Tag der offenen Tür im Landtag Schleswig-Holstein: So, 12.7., 10 bis 18 Uhr, Düsternbrooker Weg 70, Kiel