Verkleideter Plattenbau

Beton In Hannover werden einige Bauten aus den 70er-Jahren frisch saniert

In Hannover wird derzeit hinter dem Hauptbahnhof das Bredero-Hochhaus saniert. Manch einer nennt den 85 Meter hohen Riesen einen Betonklotz aus den 70er-Jahren. Dabei werden zehn seit Jahren leerstehende Büro-Stockwerke in 120 Wohnungen umgewandelt. Ringsherum entstehen Umläufe und Balkone. Der Beton wird hinter einer Blechverkleidung versteckt – die künftigen Bewohner sollen hinter einer schickeren Fassade wohnen.

„Wir wollen die Änderungen sichtbar machen“, sagt der für die Sanierung beauftragte Architekt Jan Grabau. Dabei müssten praktische Dinge gelöst werden – derzeit sei etwa der Eingang nur schwierig zu finden.

Ähnliche Probleme gibt es beim Ihme-Zentrum in Hannover. Im Stadtteil Linden entstand in den 70er-Jahren ein 500 Meter langer Gebäudekomplex mit rund 1.000 Wohnungen, der auf dem größten gegossenen Betonfundament Europas steht. Neben der Sichtbetonfassade geriet das Haus mit seinen 22 Stockwerken hohen Wohntürmen auch wegen seiner Unübersichtlichkeit in die Kritik. Auch wirtschafltiche Probleme gingen nicht spurlos am Gebäude vorbei: Mit der Zeit standen immer mehr Läden leer, Eigentümer gingen pleite, für dringend nötige Investitionen fehlte das Geld. Derzeit richten sich die Hoffnungen auf einen neuen Investor – wieder einmal.

Hannovers Stadtplaner Hanns Adrian war in den 70er-Jahren aller Kritik zum Trotz mit seiner Familie ins Ihme-Zentrum gezogen. Und er erklärte: „Der beste Ort zum Wohnen in Hannover, wenn man das Ihme-Zentrum nicht sehen will, ist das Ihme-Zentrum.“

Ludger Lohaus, Professor am Institut für Baustoffe der Uni Hannover, räumt ein: „Es wurde ab den 60er-Jahren in den Zeiten des Baubooms schnell viel hochgezogen, ohne auf die Qualität zu achten.“ Wenn dann Schadstoffe in die löchrige Betonstruktur eintreten konnten, seien Schäden schon nach zehn Jahren möglich gewesen. Der Beton-Technologe ist dennoch überzeugt: „Die Stimmung gegenüber Beton ist heute positiver als noch vor 15 Jahren.“ Er hebt die ästhetische Wirkung des Sichtbetons hervor, der eben nichts kaschiert und betont, dass der Baustoff technisch weiterentwickelt wurde.

Seit den 90er-Jahren ist Beton fester geworden, so dass man höher bauen konnte. Außerdem gibt es neue Spezialbetone, die auch bei Neubauten wie dem Anbau des Sprengel-Museums zum Einsatz kommen, der mit viel Aufwand gerade mit einer Sichtbetonfassade versehen wurde. „Der wurde mit der Hand geschliffen – das ist teurer als Marmor“, sagt Lohaus. In Hannover gibt es aber auch Kritik an dem mehr als 35 Millionen teuren Beton-Anbau.

Architekturkritiker Conrad von Meding sieht aber nicht im Sichtbeton das Problem vieler Großbauten aus den 70er-Jahren: „Leerstand führt dazu, dass die Betriebskosten für die verbleibenden Bewohner steigen“, sagt er. Wenn man groß baue, werde das zum Riesenproblem. Joachim Göres