Sportplatz
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Sportliches Kartenspiel Foto: Rainer Jensen/dpa

Sportliche Spielrunden bis ins hohe Alter, ohne Stress

MACCABI GAMES Neben Tennis oder Volleyball wird beim gerade im Olympiapark stattfindenden größten jüdischen Sportfest Europas mit Bridge auch ganz sportlich in die Karten geschaut

Es ist eine Szene wie bei einer Mathe-Klausur. In einem Raum mit abgelatschtem Parkett, blass gelb gestrichenen Wänden und kalter Neonbeleuchtung stehen acht Tische. Über jede der Tischplatten lehnen sich vier grübelnde Köpfe. Kaum ein Geräusch ist zu hören, hier und da ein kurzes Kichern, ein leises Schimpfen. Zwischen den Tischreihen umher schlurft mit prüfendem Blick ein alter Mann mit brauner Cordhose, beträchtlichem Bauch und weißem Rauschebart.

An den Tischen sitzen allerdings keine pickeligen PennälerInnen, sondern AthletInnen der European Maccabi Games, Bridge-SpielerInnen, um genau zu sein. Das als „Alte-Dame-Spiel“ verschriene Kartenspiel ist wohl die exotischste von insgesamt 19 Sportarten bei den ersten europäischen Makkabi-Spielen auf deutschem Boden. Seit vergangenem Dienstag messen sich rund 2.300 jüdische SportlerInnen aus 37 Nationen unter anderem im Fußball, Tennis, Squash, Bowling – und eben Bridge.

Zumindest in Sachen Alter der TeilnehmerInnen dürfte es allen anderen Makkabiade-Disziplinen voraus sein. Die 70-Jahre-Grenze haben viele der SportlerInnen, die meisten von ihnen Männer, mutmaßlich bereits überschritten. In diesem Alter stresst man sich nicht mehr. „Der Zeitplan hat sich verschoben. In 15 Minuten ist erst mal Lunch-Pause“, erklärt ein freundlicher Ordner beim ersten Besuchsversuch und bittet, doch später wiederzukommen.

Unterwegs zu einer anderen Veranstaltung zeigt sich die 20. Disziplin der Maccabi Games – Orientierungslauf, zumindest für die ZuschauerInnen. Obwohl ein großer Teil der Sportwettbewerbe im und um den Olympiapark stattfindet, entpuppt sich dieser als weitläufiger als der Lageplan verspricht. Schwimmen und Tennis werden daher kurzerhand aus dem persönlichen Veranstaltungskalender gestrichen. Futsal, eine Variante des Hallenfußballs, liegt eher auf dem Weg.

Die Partie Großbritanniens gegen Israel ist überraschend gut besucht. Zwar sind die meisten der ZuschauerInnen durch ihre Trainingsanzüge als AthletInnen zu erkennen, doch es gibt auch mehrere kleine britische Fangruppen. Während sich bei Toren der Israelis lediglich die türkische Delegation zu einem Jubel hinreißen lässt, wird jeder Erfolg der Briten mit geschwenkten Union-Jack-Flaggen und -Fähnchen und einem lautstarken „Roarrrr!“ gefeiert.

Eine Frau Ende vierzig mit kurzen rötlichen Haaren sitzt direkt hinter der Bande und leidet besonders intensiv mit ihrem Team. Angespannt blickt sie Richtung Spielfeld, murmelt vor sich hin. Keine zwei Minuten am Stück hält es sie auf ihrem Sitz. Immer wieder springt sie auf, hebt bei jeder missglückten Aktion der Spieler empört die Hände. Am Ende unterliegt Großbritannien knapp und die Frau sinkt erschöpft auf die harte Holzbank.

Bei den European Maccabi Games treten ausschließlich AmateursportlerInnen an, beim Volleyball sieht man das recht deutlich. Längst nicht jeder Aufschlag passiert das Netz. Trotzdem ist der Einsatz hoch. Ein Rettungsversuch endet für einen französischen Spieler in der Werbebande. Der Gegner aus Deutschland ist sich selbst die lauteste Unterstützung. Vor jedem Aufschlag macht sich das Team mit „Hopp hopp hopp“-Chören und rhythmischen Klatschen selbst Dampf unterm Kessel.

So emotional geht es bei Bridge dann nicht zu. Ein Herr schimpft nach Ende einer Spielrunde auf seinen Mitspieler, ansonsten wird jede aufbrandende Diskussion vom Spielleiter mit einem beherzten „Schhhh!“ unterbunden.

Acht Tage dauern die Maccabi Games insgesamt an. Pausiert wurde nur am Samstag – wegen des Sabbats, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Die Wettbewerbe laufen noch bis Dienstag, dann finden unter anderem die Finales im Basketball, Dressurreiten und Futsal statt. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Ronny Müller