Flüssige Transparenz

DURST Durchsichtig, vegan, halal und koscher: die „Glam-Cola“. Ein Besuch bei Nermin Celik, der Erfinderin des neuen Softdrinks

Nermin Celik in ihrem Berliner Ladenlokal Foto: Lia Darjes

von Laila Oudray

Das Rolltor vor dem Ladenfenster lässt sich nicht mehr öffnen, es klemmt. Nermin Celik steht im Laden etwas ratlos herum. Sie lacht nervös, drückt mehrmals auf den Knopf und rüttelt an dem Fenster. Endlich erhebt es sich, Licht fällt in den noch unfertigen Raum.

Darin stapeln sich das Werbematerial, sowie Kisten voller Flaschen mit einem schwarz-goldenen Etikett und einer durchsichtigen Flüssigkeit drin. Es sieht wie Wasser aus, es ist aber Cola mit Ingwernote – die „Glam Cola“. Seit drei Jahren entwickelt und produziert die 38-jährige Celik den durchsichtigen Softdrink. Dieser Laden in Kreuzberg, der Verkaufsraum, Restaurant und Büro zugleich werden soll, ist der nächste Schritt zur Verwirklichung einer Idee, die an einem Küchentisch in Kreuzberg entstanden ist.

An dem saß die diplomierte Schauspielerin eines Abends mit ihren fünf Kindern zusammen und gemeinsam kamen sie auf die Idee, ihre eigene Cola herzustellen: „Wir trinken das gerne, deswegen haben wir darüber gesprochen und uns dabei hochgeschaukelt mit Ideen, wie eine gute Cola sein sollte. Dieses Gespräch war die Initialzündung für mich. Ich wusste plötzlich genau, was ich von unserem Getränk will: Keine Phosphorsäure, kein Zucker und es sollte durchsichtig sein“, erinnert sich Celik und setzt sich mit einer Flasche in der Hand auf einen Stuhl im Laden.

Mit der Glam Cola feiert die durchsichtige Cola oder „Clear Cola“ ein Comeback in Deutschland. 1992 hatte der Softdrink-Gigant Pepsi den Lebensmittelfarbstoff weggelassen und die „Crystal Pepsi“ auf den Markt gebracht. Die Konsumenten waren neugierig, das Produkt schien vielversprechend und schon bald gab es den klaren Softdrink auch von anderen Marken. Doch der Erfolg hielt nicht lange: Schon 1993 verschwand Crystal Pepsi aus den Regalen.

Aktuell gibt es weltweit nur noch wenige farblose Cola-Varianten auf dem Markt, wie die peruanische Inca Cola oder eben die deutsche Glam Cola von Nermin Celik. Diese unterscheidet sich allerdings von allen anderen Marken. Sie ist nicht nur frei von Farbstoff, Phosphorsäure und Zucker, sie ist auch halal, koscher und vegan. Das war der Erfinderin wichtig, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen.

Um all diese Anforderungen an ihr Getränk zu erfüllen, musste Celik viel recherchieren und auch experimentieren. Immer wieder gab es Schwierigkeiten, zum Beispiel beim Zuckerersatz: „Was nehme ich dafür? Apfelfruchtsüße? Doch Apfelsaft ist trüb, wie mache ich es klar, ohne auf Gelatine zurückzugreifen? Das waren die Fragen, die mich beschäftigt haben, ich habe sicher ein halbes Jahr nach einer Lösung gesucht. Nachdem ich die Händler dann hatte und die Fruchtsüße da war, kehrte für mich die innere Ruhe ein“, sagt Celik, während sie ihr kurzes, braunes Haar aus dem Gesicht streicht und sich etwas zurücklehnt.

1992 hatte der Softdrink-Gigant Pepsi „Crystal“ auf den Markt gebracht

Im März 2013 war es soweit: Die Rezeptur stand fest, die Flasche war gestaltet und die ersten Werbekampagnen gestaltet. Nach einem Jahr Recherche und Vorbereitung konnte Nermin Celik ihr Produkt launchen, was erst mal viel Klinkenputzen bedeutete. Sie begann Restaurants und Kneipen in Kreuzberg mit Gratisproben zu versorgen, versuchte mit Werbesprüchen wie „Erst trinken, dann werfen“ oder „Dein Durst ist durchschaubar“ Aufmerksamkeit zu erregen. Sie war auch am 1. Mai 2013 mit einem Stand auf der Straße, um ihr Getränk zu promoten, wurde aber von der Polizei wieder weggeschickt.

Trotz all der kleinen Rückschläge kam die klare Cola an. Immer mehr Cafés in Kreuzberg servieren Glam Cola und auch die Berliner Kaufhausinstitution KaDeWe hat sie mittlerweile in ihrem Sortiment aufgenommen. Diese ersten Erfolge kamen überraschend schnell, doch Celik war vorsichtig: „Wir hätten schon früher mit dem Einzelhandel Verträge abschließen können, doch damals kam das für mich zu früh. Ich hatte noch zu wenig Erfahrung. Ich musste mich erst einmal in der Softdrink-Branche zurechtfinden.“ Das vorsichtige Herantasten schadete dem Erfolg nicht: Mittlerweile werden auch Cafés und Bars außerhalb von Berlin mit Glam Cola versorgt. Wo genau, steht auf der Homepage, wo auch alle Zutaten aufgelistet sind.

Transparenz soll nämlich nicht nur die Devise der Cola sein, sondern auch die der Firmenpolitik. Im Gespräch gibt Nermin Celik unumwunden Fehler zu und erzählt offen über ihre Familie, ihren Werdegang und ihr Produkt.

Doch es gibt Grenzen der Offenheit: Am Anfang wurde die Glam Cola, die in Kreuzberg erfunden und vertrieben wird, nämlich in Kreuzberg gebraut – bei Schepp Bräu. Dann wurde die Anfrage zu groß für die kleine Brauerei und Celik stieg auf eine Kelterei in der Nähe von Berlin/Brandenburg aus. Welche genau, das möchte sie nicht verraten. Sie begründet das mit dem harten Konkurrenzkampf: „Ich habe ein besonderes Verhältnis zu der Kelterei mit ganz tollen Verträgen. Ich habe immer wieder gemerkt, wie schwierig ist, so etwas zu finden. Deswegen gehe ich damit nicht hausieren, ich möchte keine Beeinflussung von außen.“

Nicht nur in der Transparenz, auch in der Rezeptur ging Nermin Celik einen Kompromiss ein. Denn obwohl Glam Cola auch damit wirbt, die gesündere Alternative für Cola zu sein, hat sie einen erhöhten Koffeingehalt: 15 mg pro 100 ml, fast doppelt so viel wie andere Cola. Die Erfinderin begründet diesen Schritt damit, dass ihr Getränk auch von Jugendlichen ab 15 Jahren attraktiv sein soll. Gerade in dieser Altersgruppe sind koffeinhaltige Getränke wie Cola oder Energydrinks sehr beliebt und gleichermaßen ungesund, wie auch eine Studie der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA beweist. Immer wieder fordern Lebensmittel­organisationen wie Foodwatch, dass der Verkauf von koffeinhaltigen Getränken für Jugendliche verboten wird.

Celik sieht keinen Widerspruch in einer gesunden Cola mit hohem Koffeingehalt. Immerhin sei ihr Getränk, wegen der fehlenden Säure und des fehlenden Zuckers, weniger schädlich für Jugendliche als andere Getränke. Für Kinder soll aber eine koffeinfreie Variante auf dem Markt kommen. Weitere Sorten sind schon geplant.

Die durchsichtige Cola entwickelt sich zum Kassenschlager, was sich auch finanziell bemerkbar macht: „Wir befinden uns gerade im Umbruch. In den letzten Jahren war das Projekt eine Investition, die auch von meinem Ehemann getragen wurde. Doch jetzt gerade überlappt es sich Die Investition zahlt sich langsam aus“.

Längst ist aus einer Idee am Küchentisch ein Geschäft geworden, das weiter wachsen soll, auch außerhalb von Deutschland. Vereinzelt wurde die Glam Cola schon in den USA, Russland, Polen und den Niederlanden verkauft. Der Nahe Osten soll folgen. Doch Nermin Celik bleibt auch weiterhin Berlin und vor allem Kreuzberg treu, wo in den nächsten Wochen, die „Glam Cola Station“ öffnen soll, um von dort aus vielleicht die Welt zu erobern.