Graphic Novel Ronny Knäusel, Jungpionier, entdeckt im Dresden der Siebziger seine besonderen Fähigkeiten: Ein Comic von Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld
: Superkräfte in der DDR

Abwärts geht es auch mal in „Das UPgrade“ Foto: Verlag

von Christoph Haas

Wenn von Superhelden die Rede ist, denkt man an vieles: an übermenschliche Kräfte und Probleme mit der Geheimidentität, an bunte Kostüme, abgefeimte Superschurken und an die Straßenschluchten amerikanischer Großstädte. An eines aber denkt man bestimmt nicht: an die DDR.

Genau dort, im schönen Dresden, ist Ronny Knäusel zu Hause, Jungpionier der 2. Klasse in der Polytechnischen Oberschule „Fritz Heckert“. Im Sommer 1973, ausgerechnet an dem Tag, als er Kindergeburtstag feiern will, entdeckt Ronny, dass er in der Lage ist, sich durch Gedankenkraft blitzschnell von einem Ort zum anderen zu bewegen.

So landet er unversehens in Ostberlin, wo anlässlich der mit großem Aufwand gefeierten Weltfestspiele der Jugend der kalifornische Rockstar Cosmo Shleym auftritt. Mit dessen Song „Palms in Sorrow“ scheint die Teleportationskraft des Siebenjährigen auf geheimnisvolle Weise verbunden zu sein. Ein paar Jahre später, als Ronny erwachsen ist, wird er DDR-Bürger, die ihre Heimat verlassen wollen, mit seiner Gabe gefahrlos über die Grenze transportieren.

Die Comic-Serie „Das UPgrade“ lässt zusammenwachsen, was nicht zusammengehört. Im Aufeinandertreffen der Gegensätze liegt für die Autoren Sascha Wüstefeld und Ulf S. Graupner der Reiz. „Es geht“, wie Wüstefeld erklärt, „nicht nur um die USA und die DDR, sondern auch darum, zwei sehr unterschiedliche Figuren zusammenzubringen: den Star und das Kind, später den alten und den jungen Mann, die lebende Legende und den Loser. Kon­traste interessieren uns allgemein sehr, deswegen ist unser Comic so ein wilder Genremix geworden.“

Die beiden Künstler, die an Text und Zeichnungen gleichermaßen beteiligt sind, verarbeiten in „Das UPgrade“ Erinnerungen an die eigene Kindheit in der DDR ebenso detailreich und witzig wie ihre Liebe zur Musik, speziell zum oft melancholisch eingefärbten Sunshine Pop der Beach Boys. Der gealterte Cosmo ähnelt dem späten, übergewichtigen Elvis, in seinem Schwanken zwischen Genie und Wahnsinn trägt er aber eindeutig die Züge Brian Wilsons.

Kontraste interessieren die Comic-Macher

„Es geht nicht nur um die USA und die DDR, sondern auch um den Star und das Kind, später den alten und den jungen Mann, die lebende Legende und den Loser“

Sascha Wüstefeld zu „Das UPgrade“

Dazu kommt ein kräftiger Schuss Science-Fiction. „Das UPgrade“ setzt im Jahr 2.738 vor Christus ein, als eine rätselhafte kosmische Substanz in der Gegend des heutigen Mexiko eintrifft, zeitgleich mit einer außerirdischen Agentin, die fortan in wechselnden Gestalten durch die Weltgeschichte reist und als atombusige, energische Krankenschwester an der Entbindung des kleinen Ronny beteiligt ist. Wie das alles zusammengehört, wird in der insgesamt auf zehn Bände angelegten Serie erst nach und nach deutlich werden. Allerdings gibt es schon einige Andeutungen, da Graupner und Wüstefeld nicht linear erzählen, sondern zwischen den Handlungsmomenten, die zu sehr verschiedenen Zeiten spielen, hin und her springen.

Ihr extrem dynamischer, überdreht visueller Stil ist von Animes beeinflusst, aber auch von den klassischen Zeichentrickfilmen Walt Disneys und deren flächigen Bildern. Ein wichtiges Vorbild ist zudem die Zeitschrift Mosaik der sechziger Jahre. „Damals waren Sachen möglich, die sich diese Zeitschrift, für die wir ja selbst eine Zeit lang gearbeitet haben, heute nicht mehr erlaubt“, meint Wüstefeld bedauernd. „Die Digedags waren nicht, wie nach ihnen die Abrafaxe, an die historische Wirklichkeit gebunden. Sie konnten, inspiriert von Sputnik und Gagarin, durch den Weltraum reisen und erlebten Abenteuer, die wie Drogentrips wirkten. Da gab es unglaubliche Farben und Figuren mit kuriosen Physiognomien.“

Drei Bände der Serie liegen schon vor. Der CrossCult Verlag bringt sie nun noch einmal von Anfang neu hinaus, in einer großformatigen Ausgabe, die eine weit bessere Wahrnehmung des Artworks erlaubt. Im Gegensatz zu anderen deutschen Autoren-Comics geht „Das UPgrade“ nicht mit einem großen Kunstanspruch hausieren. Umso beachtlicher ist, wie viel Ehrgeiz Graupner und Wüstefeld darauf verwenden, ihr Publikum bestens zu unterhalten.

Ulf S. Graupner, Sascha Wüstefeld (Text und Zeichnungen):„Das UPgrade“. Band 1: „Wunder, Würfel, Weltfestspiele“. CrossCult Verlag, Ludwigsburg 2015. 64 Seiten, 20 Euro