Ein Hundling ist was Schönes

HOMMAGE Malte Ludin erinnert in seinem Film „D.U.D.A! – Werner Pirchner“ an einen großartigen Musiker, Poeten, Filmemacher und Anarchisten aus Tirol, der sein Vibrafon tatsächlich mit Zahnpasta putzte

Werner Pircher im Sommer 1984 bei einem Bad im Ossiacher See Foto: Courtesy Kino in der Brotfabrik

VON Carolin Weidner

Man sollte sich einmal in die Situation bringen, dieses „Nozerl-Lied“ zu hören. Werner „Preisegott“ Pirchner hat es als eine Theatermusik für Fritz von Herzmanovsky-Orlandos Stück „Kaiser Franz und die Bahnwärterstochter“ komponiert. Und es ist wunderbar. So schön und traurig, gleichsam abgründig und ohne jeglichen Zynismus. Der Sänger Erwin Steinhauer hat es intoniert. Und der Schauspieler Tobias Moretti erinnert sich, dass ihm beim Hören dieses Lieds war, als sei „der Mozart wiederauferstanden“. In dem Film des Berliner Regisseurs Malte Ludin, „D.U.D.A! – Werner Pirchner!“, gibt es viele solcher Geschichten. Erwin Stein­hauer sagt: „Das hat in den 70er Jahren einfach zum guten Ton gehört, dass man aus dem „Halben Doppelalbum“ zitieren konnte.“ „Ein halbes Doppelalbum“ – eine legendäre Platte, aufgenommen von Pirchner im großen Stadtsaal Innsbruck, mit zwei Revox-Tonband-Maschinen, zwischen 1966 und 1972. Oder Witwe Elfriede Pirchner. Die lässt in „D.U.D.A!“ an der ersten Begegnung teilhaben, als Werner Pirchner sein Vibrafon mit Zahnpasta putzte, denn was den Zahnschmelz nicht angreife, könne ja auch den Metallplatten nicht schaden.

Untergang des Abendlandes

„D.U.D.A!“, das ist die Abkürzung für Pirchners musikalischen Dokumentarfilm „Der Untergang des Abendlandes“ von 1974. Ein irrer Stoff, den Ludin immer mal wieder zwischen seine Interviewsequenzen spielt. In ihm ist der musizierende Pirchner zu sehen, gekleidet in Tiroler Tracht, springend und hüpfend auf der Alm. Mal macht er seine Augen zu Tellern für die Kamera, dann zupft er ganz selbstvergessen an einer Gitarre, sitzt auf einem Stein, unter ihm Blumen, hinter ihm eine Kuh. Ludin wollte den Film über ihn schon viel früher machen. Oder viel eher: mit ihm. Doch Werner Pirchner ist 2001 verstorben, 61 Jahre wurde er. Im Prolog zum Film sagt Ludin: „Jetzt ist es für einen Film mit dir zu spät. Nicht aber für eine Hommage an dich.“ Und das ist „D.U.D.A!“ nun auch geworden, eine Hommage. Auch eine Spurensuche. Ein Zusammentragen. Denn was dieser Pirchner alles komponiert, an Tönen erzeugt und gedichtet hat, das ist schon allerhand. Aber „D.U.D.A!“ ist noch etwas anderes. Der Dokumentarfilm ist nämlich auch ein Musikfilm. Vieles aus Pirchners wohlsortiertem Werkverzeichnis (Elfriede Pirchner führt die Ordnungsliebe ihres Mannes an einer Stelle vor) kommt hier zum Einsatz. Nicht selten sogar frisch eingespielt.

So zeigt Ludin etwa zwei Fagottisten der Wiener Philharmoniker beim Proben der Kammermusik „Mit FaGottes Hilfe“, die Werner Pirchner 1989 geschrieben hat. Es klingt gewandt und jazzig, verspielt. Richard Galler erklärt: „Er verlangt laut, hässlich, witzig, melancholisch, swingend, technisch anspruchsvolle Stellen. Verschiedene Spieltechniken: Doppelzunge, Mehrklänge. Es ist eigentlich alles drin, was man als professioneller Fagottist so können sollte, und das auf eine sehr charmante und unterhaltsame Weise.“ André Heller, der einst die Veröffentlichung des „Halben Doppelalbums“ finanziert hatte, bezeichnet Werner Pirchner als einen „Hundling“. Und setzt nach: „Ein Hundling ist was Schönes. Ein freier, über die Felder galoppierender, in Eigenverantwortung stehender Mensch, der sich freut in der Früh, dass er einen Tag vor sich hat, den er nutzen kann, um eine Qualität in die Welt zu bringen.“

Das „Nozerl-Lied“, so schön und traurig, gleichsam abgründig und ohne jeglichen Zynismus

Super Figur, der Werner

Über die Einmaligkeit des Komponisten Pirchner jedenfalls herrscht in „D.U.D.A!“ eine große Einigkeit. Christian Berger, Regisseur und Kameramann von „Der Untergang des Alpenlandes“, findet: „Zwischen militanten Katholen und Ex-Nazis war der Werner eine super Figur.“ Und Josef Hader spielt ebenfalls auf das kleine Tirol an, Pirchners Heimat und Wirkungsgebiet, wenn er theoretisiert, „dass die ganz besonderen Sachen daher kommen, wo die Enge herrscht.“

Ludin versucht das alles einzufangen. Werden die Musiker gemeinsam mit den Noten ungezügelt, wird es auch die Kamera. Sie kreist dann einfach ungebremst. Oder Ludin färbt den Himmel auf Höllenrot. Dazu Pirchners den Katholizismus zerlegendes „Mein Gewissen erlaubt mir nicht“. Hier hat jemand versucht, Musik zu verlebendigen. Und dennoch Raum gelassen. Für Pirchner-­Poesie. Zum Beispiel zum Schluss, wenn da steht: „Wer macht Musik? Die Vögel tun es. Der Wind. Die Bienen. Das Meer. Die Wale. Hunde nicht. Aber Katzen. Manche Menschen.“

„D.U.D.A! – Werner Pirchner“. Regie: Malte Ludin. Dokumentarfilm, Österreich 2014, 84 Min. Im Kino in der Brotfabrik