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Das Problem heißt Rassismus

AntiRa Von Freitag bis Sonntag findet auf dem Blücherplatz das Festival gegen Rassismus statt. Ein Gespräch mit Nadjye und Sanchita vom Bündnis gegen Rassismus

Das Motto dieses Jahr: „Selbstbestimmt verändern – Solidarisch vernetzen!“ Foto: AFROTAK TV cyberNomads

Interview Sybille Biermann

Das Festival gegen Rassismus ist nun in seinem dritten Jahr. Das Programm ist eine bunte Mischung aus Lesungen, Workshops und einer Bühne mit Künstlern, die sich mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen. Über drei Tage entsteht am Kreuzberger Blücherplatz ein Ort, um sich zu ermächtigen und aktiv zu werden – mit den Betroffenen im Fokus.

taz: Ein Festival gegen Rassismus – das klingt zunächst banal. Wie kam es dazu?

Nadjye: Das Festival wurde 2012 von Einzelpersonen und Initiativen aus dem AntiRa-Bereich initiiert als Plattform für Vernetzung, zum Austausch über Widerstandserfahrungen, Rassismuserfahrungen und Handlungsoptionen. Wir haben uns für ein Festival entscheiden, weil das zugänglicher ist als zum Beispiel Demonstrations-Formate.Sanchita: Ein anderer Grund war, dass wir sonst immer Demonstrationen gegen etwas machen. Wir wollten aber einen Raum in dem wir uns empowern und Spaß haben können.

Mensch kämpft in Deutschland immer noch darum, dass es nicht nur Probleme mit Neonazis gibt, sondern auch mit strukturellem und Alltagsrassismus. Jetzt steht der krude Rassismus wieder im Vordergrund und Asylbewerberunterkünfte brennen. Bedeutet das für eure Arbeit einen Spagat?

S: Ich finde, dass es weiterhin nicht um Nazis geht. Natürlich gibt es diese Übergriffe, aber sie haben sehr viele Unterstützer, die sogenannten besorgten Bürger. Es geht um Rassismus, das ist das Problem.

N: Für uns ist wichtig, dass wir uns jenseits der aktuellen Situation weiterhin bestärken. Die Betroffenen sind unser Fokus und wir wollen uns empowern, um politisch aktiv sein zu können. Natürlich müssen wir die Verhältnisse analysieren. Aber dass diese Analyse dann nicht ankommt, liegt ja auch daran, dass wir die eigentliche Rand­erscheinung sind und nicht die Nazis und Rassistinnen. Die kommen aus der Mitte der Gesellschaft.

Nadjye und Sanchita

Nadjye, Mitbegründerin des Festivals gegen Rassismus und vernetzt mit den Geflüchtetenprotesten, ist aktiv im AntiRa, Europäisches Grenzregime und Bündnis gegen Rassismus.

Sanchita, ebenfalls Bündnis gegen Rassismus, organisiert neben dem Festival auch NSU-Demos und arbeitet bei Reach Out

Auch die Refugee-Bewegung wird aktuell nicht als Experten herangezogen. Wie wird das auf dem Festival sein?

N: Wir sind sehr solidarisch mit den Geflüchteten-Protesten und es wird auch weiterhin darum gehen, sich dahingehend zu vernetzen und die Isolation hierzulande zu brechen. Andererseits finden gerade eigene Strukturen zusammen, wie zum Beispiel die Refugee-Konferenz, die Bustouren, um sich zu vernetzen und um mehr Bewegung zu sein. Die Asylpolitik ist sowieso eine gescheiterte. Daher ist es immer wichtig, eine emanzipatorische Gegenöffentlichkeit zu haben.S: Die Bewegung wird beim Festival in Form von Theaterstücken und Workshops dabei sein.

Wo liegen jetzt die Prioritäten? Zu reagieren oder die bisherige Arbeit fortzuführen?

S: Wie Nadjye bereits gesagt hat, wir als von Rassismus betroffene Aktivistinnen sind eine Randerscheinung. Wir versuchen jetzt lauter zu werden, dafür ist auch das Festival ein Instrument, um Präsenz zu zeigen. Es geht darum, Alternativen zur Asyl- und Migra­tionspolitik zu finden und wie wir diese präsentieren können.N: Das spricht auch ein bisschen das Motto des diesjährigen Festivals an: „Selbstbestimmt kämpfen – Solidarisch vernetzen“.

Jetzt, da sich rassistische Übergriffe und Hetze auch in Berlin häufen, könntet ihr für die Politik ein wichtiger Bündnispartner sein. Stattdessen scheint euch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg dieses Jahr mit bürokratischen Hürden zu überhäufen. Was ist los?

Das Festival gegen Rassismus beginnt am Freitag um 17.30 Uhr. Programm: festivalgegenrassismus.wordpress.com

S: Angeblich gibt es in der Bezirksverordnetenversammlung einen Beschluss, dass auf öffentlichen Plätzen keine Zelte aufgestellt werden dürfen. Ich bezweifle das, ich habe einige Mitglieder der BVV angeschrieben und keiner hat etwas davon gewusst. Aber wir haben den Kompromiss gemacht. Dann sollten wir angeben, wie schwer die Infostände sind. Wir haben bei den Standbetreibern nachgefragt, aber nicht mal die wussten das, weil das noch nie jemand gefragt hatte. Es werden Probleme gesucht und gefunden.

Da kommt einem der Verdacht, dass der Bezirk daran denkt, wie er eine eventuelle Räumung erleichtern kann. Seht ihr da einen Zusammenhang zu eurer Vernetzung zur Refugee-Bewegung?

S: Ich denke, da gibt es eine Paranoia. Das ist absurd, denn wenn man jetzt ein Protestcamp am Blücherplatz eröffnen möchte, dann macht man dafür kein Festival.N: Es stellt inzwischen auch eine Kontinuität dar in Kreuzberg-Friedrichshain. Der Oplatz wurde geräumt, die GHS wird weiterhin still geräumt und es gibt eine Task-Force am Görlitzer Park. Der Oplatz hat natürlich sehr krass herausgefordert, der Bezirk setzt jetzt auf Machtpolitik.