Hund im Bauch

Lidokino 8 Laurie Andersons trauriger filmischer Essay über ihren Rat Terrier

In einer Szene von „Heart of Dog“ erläutert Laurie Anderson, was für unterschiedliche Charaktere Hunde haben. Gäbe man einem Schäferhund einen Befehl, sagte der, so er denn sprechen könnte: „Jawohl, Boss, wird sofort erledigt.“ Ein Pudel antwortete: „Ich tue alles, was du verlangst, solange du mich liebst.“ Ein Rat Terrier stellte eine Gegenfrage: „Macht es denn Spaß?“ Und ergänzte: „Wenn nicht, dann bin ich eher nicht interessiert.“

Leicht zu erraten, um welchen Hund sich „Heart of a Dog“, der Wettbewerbsbeitrag der 68 Jahre alten New Yorker Künstlerin, Musikerin und Filmemacherin, dreht. Um Lolabelle, ihren Rat Terrier, der gleich in den ersten, animierten Bildern auf ungewöhnliche Weise in den Film und die Welt tritt. Anderson träumt, sie lasse sich die bereits ausgewachsene, bellende und um sich tretende Lolabelle in den Bauch einnähen und gebäre sie anschließend.

Wer Hunde nicht ausstehen kann, das wird in diesem Augenblick klar, wird keine Freude am essayistischen Mäandern von „Heart of Dog“ haben. Wer Hunde mag, dafür umso mehr.

Die Kamera bildet Lola­belles Perspektive auf die Bürgersteige, Müllbeutel und die anderen Hunde im New Yorker West Village nach, wo Anderson zu Hause ist. Sie schaut zu, wie die Hündin, gegen Ende ihres Lebens und erblindet, an einem Keyboard sitzt und mit der Pfote Tasten drückt, wobei sie immer mal wieder bellt und „Oh Tannenbaum“ zustande bringt. Beim Spazierengehen in den nordkalifornischen Bergen beobachtet Lolabelle argwöhnisch Falken, die vom Himmel auf sie niedersausen, als wäre sie ein Kaninchen.

Von dort aus spannt der Film einen direkten Bogen zu den Blicken, mit der die New Yorker nach 9/11 den Himmel auf mögliche Bedrohungen hin absuchten, und springt dann zu Bildern von den Überwachungssystemen, die seit den Attentaten vom 11. September 2001 entstanden sind.

Man mag nicht jeder dieser Assoziationen folgen; auch Andersons Reflexionen über den Tod kapseln sich etwas zu hermetisch in buddhistischer Rhetorik ein. Doch das ändert nichts daran, dass einem die Geschichte vom Tod Lolabelles nahegeht, zumal sie sich in der Geschichte von der sterbenden Mutter der Regisseurin spiegelt.

Und ohne dass es ausgesprochen würde, handelt „Heart of Dog“ noch von einem weiteren, schweren Verlust, dem des Lebensgefährten. Das letzte Bild des Films ist eine Schwarzweißaufnahme; sie zeigt Lolabelle, deren Zunge die Nasenspitze Lou Reeds zu liebkosen versucht.

Es bräuchte ein Herz von der Größe einer venezianischen Stechmücke, um davon nicht gerührt zu sein. Cristina Nord