Album „Forro in the Dark plays Zorn“: New Yorks quicklebendiger Forró

In dem Album vernetzt sich Forro in the Dark mit dem Experimentalmusiker John Zorn. Vor allem geht es um dessen Kompositionshandwerk.

Experimentierfreund: Musiker und Komponist John Zorn.

Experimentierfreund: Musiker und Komponist John Zorn. Foto: dpa

„Forro in the dark Plays Zorn“ – wo müssen wir denn das nun einordnen? Zwischen „Scooter plays Morton Subotnick“? und „Peter Brötzmann by Gheorghe Zamfir“ und anderen, niemals ausgeführten Sehnsuchtsprojekten? Nein, denn Forro in the Dark ist eine in der New Yorker Off-Szene bestens vernetzte Band und der Singer-Songwriter Jesse Harris ist nicht nur Wegbegleiter und Koproduzent des vorliegenden Albums, sondern auch ein alter Buddy von John Zorn.

Andererseits ist der namengebende Musikstil, der polkanahe, lebensfrohe Forró des brasilianischen Nordostens denkbar weit entfernt von der Kunstauffassung eines John Zorn, zumindest von den wüsten Eruptionen zwischen Free Jazz und Todesmetal, mit denen man ihn gemeinhin assoziiert.

Aber die drei Exilbrasilianer, die sich oft mit Gastmusikern verstärken, thematisieren nicht eine Sekunde den Sound von Zorn, es geht in diesem Projekt um dessen Kompositionshandwerk. Und dass diese Kompositionen mitunter höchst konventionell, manchmal erstaunlich schlicht und hin und wieder geradezu sentimental sind, könnte man fast als Kritik deuten, als Kratzen am Nimbus. Andersherum könnte dahinter auch die Zielsetzung stecken, ihn zum Berserker mit menschlichem Antlitz zu redefinieren. So oder so gibt es hier keine neue Erkenntnisse für diejenigen, die sich die Mühe machen, auch mal auf Zorns Kompositionen zu horchen.

Er ist ein Vielkomponierer. Allein seine „Songbook“-Reihe von Stücken, die größtenteils noch nie aufgeführt wurden, enthält über 1.000 Einzelwerke. Insofern hatten es Jorge Contentino, Guilherme Monteiro und Mauro Refosco leicht, Werke zu finden, die sich für das Forró-Genre eignen. Allerdings interpretieren sie es anders, als das in Brasilien aktuell der Fall ist, wo Forró dabei ist, zum Äquivalent von Country zu werden und seine Stars Fußballstadien füllen.

Forro in the Dark: „Forro Zinho – Forro in the Dark plays Zorn“ (Tzadik/H’art)

So fehlt bei Forro in the Dark meist das genrebestimmende Akkordeon. Fest im Genre scheint nur Percussionist Mauro Refosco verwurzelt, der die Zabumba schlägt, wie es die Alten taten – wenn er nicht gerade mit den Red Hot Chili Peppers auf Tour ist. Jorge Contentino spielt Forró-unübliche Bambusflöten und Saxofon, Guilherme Monteiro ist ein vielseitiger Gitarrist, dessen Stilistiken allerdings eher Rock- und Jazz-informiert klingen, als dezidiert brasilianisch.

Interessanterweise bleibt das ganze Album über die Forró-Anmutung vorherrschend, selbst wenn verzerrte Gitarre, überblasenes Saxofon oder Vibrafon hinzukommen. Dafür sorgt die dichte Rhythmusarbeit und die konsequente Ausrichtung auf die auf der Drei und der Vier betonten Forró-Rhythmen – selbst bei eher balladesken Songs.

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Ausnahme ist der Track „Shaolin Bossa“, der seinem Namen gerecht wird und in dem Bossa-Legende Marcos Valle als Gastsänger und E-Pianist mitwirkt: „Durch sein Mitwirken erfüllt sich ein alter Traum von John Zorn“, schreibt Jesse Harris in den Liner Notes und deutet damit an, wie sehr Zorn – offiziell „Executive Producer“ (was immer das heißen mag) – selbst in die Konzeption des Albums involviert war.

Forró wäre mit Valle womöglich nicht zu machen gewesen, daher vielleicht dieser kleine stilistische Schlenker. Aber dass John Zorn Fan von Marcos Valle ist, der mit seinen sanften Bossa-Songs zum Easy-Listening-Genre gerechnet wird und meistens eher am John Zorn gegenüberliegenden Ende des sonischen Spektrums zu verorten ist, überrascht schon.

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Wir erhalten zwar kaum neue Erkenntnisse über das Musikuniversum John Zorns, seine Kompositionen erstrahlen nicht in einem neuen Licht, aber sie funktionieren. Außerdem halten wir das neue Album von Forro in the Dark in den Händen, und auch diesmal groovt das wunderbar.

Und wenn man dann noch mal konzentriert hinhört, erhält man vielleicht doch neue Erkenntnisse: Sie beziehen sich jedoch weniger auf John Zorn, als vielmehr darauf, wie man ein vermeintlich in einer Mainstream-Sackgasse angekommenes Genre befreien kann, ohne ihm wehzutun. Mit behutsamen Dehnübungen, mit unaufgeregt vorgetragenen Änderungsvorschlägen, mit viel Liebe und Verständnis. Klar könnte ein headlinetauglicher Untertitel lauten: „John Zorn for Dancing“. Noch treffender aber wäre: „Forró is alive and well in New York City.“

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