Vergebliches Streben

FOTOGRAFIE Unter dem Titel „Flora und Fauna“ stellen sieben Künstlerinnen aus Bremen in der Villa Sponte fotografische Arbeiten zum Verhältnis von Mensch und Natur aus

Wer auch immer dieses Flugzeugmodell aufgestellt haben mag, dürfte sich eine andere Zukunft dafür vorgestellt haben   Foto: Anja Engelke

von Andreas Schnell

Ist es nun schlicht Verlaufsform der Allgegenwart von Fotografien, dass in Bremen zurzeit ein kaum zu bewältigendes Pensum von Ausstellungen zum Thema zu sehen ist? Oder ist es eher ein Trotzdem – der Nachweis, dass, auch wenn, nicht zuletzt dank Internet und Smartphone, die Zahl der Lichtbilder sekündlich explodiert? Wobei ja die Frage ist, wer das alles sehen soll. Außer der eigenen Peer Group, die (vielleicht) darin einen Mehrwert hat, und sei es nur der, in der Gegenseitigkeit die Aufmerksamkeit auch auf jeweils sich selbst herzustellen.

Unter dem Etikett „foto kunst bremen“ ist in diesem Herbst über die ganze Stadt verteilt Fotokunst zu sehen, nicht nur, aber auch von Bremer Künstlerinnen und Künstlern. Schon im September eröffnete der Reigen mit Julia Baiers Ausstellung „In Tune“, in der die Resultate ihrer Reisen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen zu sehen waren, Miron Zownirs Ukraine-Bilder im K’– Zentrum Aktuelle Kunst reihte sich ebenso in den organisatorischen Zusammenhang ein wie die Riga-Bilder von Albert Caspari in der Zentralbibliothek.

Die Villa Sponte geriet eher zufällig in den Kreis der Ausstellungsorte. Weil ein Künstler krank wurde, der dort eine Ausstellung geplant hatte, sprangen kurzentschlossen Fotografinnen der Bremer GFF – Gruppe zur Förderung zeitgenössischer Fotografie ein und machten sich unter dem selbst gestellten Thema „Flora & Fauna“ an die Arbeit.

Die Zugriffe auf das Thema sind so unterschiedlich, wie es das Thema erlaubt. Auffällig ist zunächst, dass Fauna dabei weniger zu sehen ist als Flora. Und das Tier, das am häufigsten in den Bildern gegenwärtig ist, ist der Mensch. Nicht immer ist er allerdings zu sehen. Er ist anwesend in seinen Hervorbringungen, in Bauten, in seinen kulturellen Hinterlassenschaften. Aber auch in Begleitung des Kulturtieres Hund, wie in der Arbeit „Sozusagen zuhause“ von Tine Casper, die das Verhältnis von Mensch und Natur gleichsam entproblematisiert: Hier sind Füße im Watt, ein dramatischer Himmel, eine geriffelte Wasseroberfläche zu sehen, Zeichen eines Tags am Meer, wie ihn vielleicht die Fantastischen Vier für ihren gleichnamigen Song imaginiert haben könnten.

Ungleich dystopischer die Arbeiten von Anja Engelke, die unter dem Titel „Is This Reality?“ eine lange Wand füllen. Sie erforscht, was bleibt, wenn der Mensch fort ist, wobei einige Arbeiten eine geradezu gemäldehafte Qualität haben, wie der Blick durch ein spinnenbewebtes Fenster, anderes wirkt geradezu surreal, wie das Flugzeugmodell, das vor Palmen in mutmaßlicher Wildnis steht, von der Witterung gezeichnet: ein optimistisches Zeichen von Aufbruch, das freilich zugleich ein Scheitern symbolisiert, denn dieser Aufbruch war gewiss nicht als Abschied auf immer gemeint.

In der Villa Sponte gibt es regelmäßig Lesungen, Konzerte und andere Veranstaltungen

Am Donnerstag, den 29. Oktober stellen 14 Autoren ab 19.30 Uhr unter dem Titel „Mordlichterglanz“ Weihnachtskrimis vor

Am Freitag, 30. Oktober, spielen Marina Kondraschewa und Sebastian Chica Villa ab 20 Uhr Werke von Schubert, Poulenc, Cuellar und Ospina

Am Freitag, 6. November, tritt ab 20 Uhr der Singer/Songwriter Robert Carl Blank in der Villa Sponte auf

Der Eintritt ist immer kostenlos, Spenden sind gern gesehen

Von der Vergeblichkeit menschlichen Strebens erzählt auch Manja Herrmann in ihrer unbetitelten Arbeit: Ein toter Vogel treibt im Wasser, andere Bilder fangen Spannungsverhältnisse ein, die aus der Geometrie kultureller Zeugnisse und dem organischen Wildwuchs der Natur entstehen.

Eindrucksvoll auch „Schwarz/Weiß/Baum“ von Johanna Ahlert, vor knapp zehn Jahren übrigens Mitglied der Fotoredaktion der taz.bremen und 2010 für den Bremer Förderpreis nominiert: In neun quadratischen Bildern durchdringt Geäst nächtliche Dunkelheit, strukturiert sie, wobei die Zweige und Äste geradezu kalligrafische Qualitäten erhalten, ein Effekt, der sich auf einem neben dieser Gruppe hängenden Foto noch verstärkt, auf dem das Prinzip gleichsam umkehrt wird: Ein heller Hintergrund wird durch ein ähnliches Geäst strukturiert.

Formal aus dem Rahmen fällt in gewisser Weise Franziska von den Driesch, die mit einer Videoarbeit vertreten ist. Allerdings einer nahezu völlig statischen. „Pathos und Idylle“ legt gewissermaßen Erwartungen über Kreuz. Wo eine Landschaft Stille vermuten lässt, ist im Hintergrund Autolärm zu hören. Vor einer Garage, wo eines dieser Autos parken mag, herrscht vollkommene Stille.

„Flora & Fauna“ ist noch bis zum 15. November in der Villa Sponte, Osterdeich 59b zu sehen; Öffnungszeiten: Samstag, Sonntag und Dienstag, 15 bis 18 Uhr und während öffentlicher Veranstaltungen; www.villa-sponte.de; weitere Termine der Reihe „foto kunst bremen“ im Internet unter: www.fotokunstbremen.de