„Religiöse Pluralität“

GRETCHENFRAGE Experten diskutieren, wie die Schulen es mit dem Fach Biblische Geschichte halten sollten

■ 47, Literatur, Politik und Erziehungswissenschaftlerin, seit 2012 Konrektorin der Universität Bremen.

taz: Wenn man in Bremen das Wort Religionsunterricht in den Mund nimmt, kommt normalerweise Langeweile auf: Interessiert keinen, fällt oft aus. Sollte man das Fach nicht streichen?

Yasemin Karakasoglu: Ich finde nicht. Wenn man Religion als einen wichtigen Teil unseres kulturellen Selbstverständnisses und unseres interkulturellen Zusammenlebens behandelt und Religionsunterricht als Unterricht, der Kinder und Jugendliche darin unterstützt, darüber gesprächsfähig zu werden, dann ist das ein wichtiges Fach in unserer Migrationsgesellschaft.

Dann müsste der Unterricht anders aussehen als heute!

Anders, als er gedacht und in den Curricula verankert ist, aber nicht anders als, viele Lehrer das in ihren Klassen praktizieren. Denn viele verstehen das Fach als Teil des interkulturellen Lernens.

Das Fach heißt „Bibelkunde“…

„Biblische Geschichte auf allgemeinchristlicher Grundlage“. Schon das ist unglücklich.

Das ist nett formuliert!

Aber es ist klar, was ich meine. Das kann man nicht von heute auf morgen ändern. Die christlichen Kirchen dürfen vorrangig darüber mitbestimmen. Aber viele Lehrer gehen pragmatisch damit um im Interesse eines interreligiösen Religionsunterrichtes.

Man muss als Lehrkraft doch eine gehörige Portion Neutralität oder Atheismus mitbringen, um nicht seine eigenen Glaubensüberzeugungen immer wieder unterzumischen.

Das wäre falsch verstanden. Ein Lehrer muss nicht neutrale Projektionsfläche spielen. Lehrer dürfen ihre Position durchaus artikulieren, dürfen sich aber nicht zum Maßstab machen. Es muss deutlich werden, dass ihre eigene Überzeugung nicht allgemeingültig ist. Es ist ja interessant, dass wenige Stunden vor der Diskussion der Staatsvertrag mit den Muslimen unterzeichnet wird. Das verweist auf die religiöse Pluralität der Bremer Stadtgesellschaft.

Bei der großen Debatte über die angeblich christlichen Wurzeln des Abendlandes wird auch von nichtchristlicher Seite selten darauf verwiesen, dass die arabisch-islamischen Teile Europas über Jahrhunderte die Zentren der Kultur waren, nicht die christlichen.

In Cordoba gab es eine islamische Regierung, die ein gutes Beispiel für einen hochtoleranten Umgang mit anderen Glaubensgemeinschaften gegeben hat. Für manche Vertreter des Islam sind heute die aktuellen Probleme drängender als der Bezug auf dieses historische Gedächtnis, das geeignet wäre, den Blickwinkel auf den Islam zu verändern. INTERVIEW: KLAUS WOLSCHNER

Diskussion: 19 Uhr, Haus der Wissenschaft