Die Wahrheit: Die Kirche des Leders

Vollgestopft mit Devotionalien des Bezahlsports. Ein Besuch im gerade neu eröffneten Deutschen Fußballmuseum in Dortmund.

Ein gelber Ball

Aufgebahrter Berner Ball aus dem WM-Finale anno domini 1954. Foto: dpa

Es ist immer blöd, wenn der Ex auf die Hochzeit kommt. Auch zur Eröffnung des DFB-Museums in Dortmund standen die alten Sünden pünktlich vor der Tür. Die Sünder Beckenbauer und Netzer, die man als Brautführer erwartet hatte, waren aber gar nicht erst gekommen.

Das ist ein Problem für dieses Haus, den „Ballfahrtsort“, wie es heißt, denn es ist das deutsche Fußballmuseum. Aber solange nicht Kaiser Franz diese Schwelle übertreten hat, kann das Haus nicht als eröffnet gelten. Man spürt sofort die fehlende Aura. Wie eine Kirche geweiht werden muss, so braucht dieses Haus Besuch und Segen des Kaisers. Immerhin gibt es eine Vitrine allein mit kaiserlichen Devotionalien, auch mit dem legendären Hairmatic-Selbsthaarschneider aus der Werbung.

Und es gibt den Fußballschuh von Mario Götze! Da könnte man sich auch gleich für den „Trierer Rock“ interessieren. Das ist angeblich die Unterwäsche Jesu! Ein Vaterschaftstest von Beckenbauer, das wär was. Aber ein Ball mit Unterschriften?

Fußball ist der Augenblick, das Zusammenwirken von Mensch und drei Objekten – Ball, Tor und Schiedsrichterpfeife. Dies ist kein Haus für Erkenntnis, nur für Erinnerungen. Opa erzählte den Enkeln vom Krieg beziehungsweise von den WM-Endspielen: vom Wunder von Bern, vom Public Viewing in Germany 2006 und von den Vuvuzelas in Südafrika. Sogar der Gips von Ballack ist ausgestellt, Gott sei Dank unter Glas. Die schlimmen Lieder der Nationalelf laufen in einem schalldichten Studio, für die ganz Harten unter den Besuchern.

Der Fan an sich hat nur eine kleine Vitrine mit Schildern: „Koan Neuer“, „Love Dynamo, Hate Racism“, „Sitzen ist für’n Arsch“. Trotzdem fehlt viel, die ganze Vereinskultur von „unten“. Kein Wort zum Beispiel über Dynamo Windrad, gegen die der DFB erbittert wegen des Vereinsnamens prozessierte und die just für ihr Projekt „Streetbolzer“ ausgezeichnet wurden. Es fehlt das Dynamo-Trikot in provokantem Rosa mit Sponsorenaufschrift „Die drei Tornados“. Das war aber auch nicht von Adidas.

Keine Karikaturen von den zeichnenden Kritikern

Der Großfirma gehört eine Ecke im Museum. Ähnlich gemietet scheint der Platz für den Mannschaftsbus von Mercedes-Benz. Dabei war der Bus nicht mal in Brasilien! Da gehen jetzt Tausende Besucher durch diesen Bus, nur weil ein paar Nationalspieler damit anschließend bei der Siegesfeier durch Berlin gefahren wurden.

Was ebenfalls fehlt: Es gibt keine Karikaturen, nicht von Burkh oder anderen Zeichnern, den Fans unter den Karikaturisten und Cartoonisten, die als Kritiker den Fußball seit Jahrzehnten begleiten. Für viele Exponate muss man schon einer ganz bestimmten Sorte Fan angehören. Hauptsächlich geht es in diesem Museum um Bezahl-Fußball, wie man schon am Eintritt merkt. Zu viel Bundesliga, zu viel Weltmeistereien.

Es gibt viel Beklopptes auf der Welt, Fußball ist dabei führend. Man muss sich nur die Wand mit den „Köpfen des DFB“ ansehen, den Bildern der Präsidenten und Generalsekretäre. Oben links thront der aktuelle Amtsinhaber Niersbach. Dahin wird man schon bald den Nachfolger kleben müssen. Und der hängt dann in der Luft. Auch dabei gilt für den Fan der alte Gerd-Müller-Satz: „Wenns denkst, ist eh zu spät!“

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kari

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